Jami Attenberg | NICHT MEIN DING

USA 2017 | 224 Seiten
OT: »All Grown Up«
Aus dem Englischen von Barbara Christ

Schöffling & Co.
ISBN: 978-3-89561-357-9

Du studierst Kunst, du findest es furchtbar, du brichst ab, du ziehst nach New York City.
(Seite 7)

Andrea ist Ende dreißig und lebt in einem kleinen Apartment mit Blick auf das Empire State Building. Sie ist überzeugter Single und reagiert mit fortschreitendem Alter immer aggressiver auf die mitleidigen Blicke der Menschen, die ihr Alleinsein mit Einsamkeit verwechseln. Nein, sie hat kein Problem, sie möchte nur keinen Mann und keine Kinder! Was ist daran so schwer zu verstehen? – Doch brauchen wir nicht alle jemanden, dem wir uns anvertrauen können? Andrea ist nicht scheu in Sachen Liebschaften für kurze Zeit, aber eigentlich traut sie sich einzig ihrer Therapeutin an, und auch das nur mit erheblicher Skepsis. In vielen Rückblicken und Selbstreflexionen entblättert sich nach und nach ein Leben voller Enttäuschungen, Trauer und Demütigungen.

Ihr Vater – einst ein gefeierter Jazzmusiker, später dann ein seelenloser Junkie – stirbt an einer Überdosis Heroin als Andrea fünfzehn ist. Sie bleibt bei ihrer Mutter, einer politischen Aktivistin, die in dubiosen Kreisen verkehrt und immer in Geldnöten ist. Die Dinnerpartys, die sie für ihre Genossen abhält, um an ein bisschen Geld zu kommen, sind für Andrea ein Graus, denn für die mit freier Liebe großgewordenen Alt-Hippies ist die junge Frau Begierde und Aufforderung zugleich. Und auch ihr erfolgsverwöhnter Bruder mit seiner Vorzeigefrau ist für Andrea ein Reizthema, denn seit die beiden ein todkrankes Kind auf die Welt gebracht und ihre Karrieren für die kleine Sigrid aufgegeben haben, ist das das einzige Thema in der Familie.


Was man Jami Attenberg (*1971), die die Geschichte um Andrea mit psychologischer Rafinesse und gesundem Hang zum Sarkasmus erzählt, zugutehalten kann, ist, dass sie nicht den Fehler macht, den die großen Hollywood-Produktionen in ihren romantischen Komödien oft begehen: Andrea bleibt allein und findet einen Weg, glücklich zu werden. Es kommt nicht von irgendwo ein Märchenprinz auf seinem Ross daher und zeigt ihr, was sie alles verpasst hat. Nein, Andrea ist eine moderne und selbstbewusste Frau, die mit ihren Entscheidungen leben kann. Sicher, sie hat ihre Probleme, aber die kommen nicht unbedingt von einer fehlenden Beziehung, sondern eher vom schlechten Klima innerhalb ihrer Familie, in der viele Dinge jahrelang unausgesprochen vor sich hingären. Und auch die Anonymität einer Großstadt wie New York City – allein zu sein inmitten von Millionen von Menschen – ist für Andreas Seelenwohl vielleicht nicht förderlich.

Ein fester Partner, eine Ehe, ein Kind sind für sie nicht die Lösung – eben nicht ihr Ding. Eine Einstellung, die selten in der Literatur beschrieben wird, und auch in der heutigen vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft oft auf Unverständnis stößt, weil sie nicht der Norm entspricht. Jami Attenberg hat dieser Art von Lebensentwurf eine Stimme gegeben – laut, deutlich und relevant.

Ihr Leben ist konstruiert, elegant und akkurat, etwas unvergessen Schönes, und meins ist ein Eintopf, ein saftiges matschiges Durcheinander aus Zutaten und Empfindungen und Emotionen mit zu viel Salz und Gewürzen, zu vielen Ängsten, von dem immer ein bisschen vorn auf mein Hemd tropft. Aber hast du es mal probiert? Hast du es probiert. Es ist köstlich. (Seite 160)


978-3-89561-357-9NICHT MEIN DING erschien beim Verlag Schöffling & Co., dem ich herzlich für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick aufs Coverbild kommt Ihr zur Verlagseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autorin, sowie eine Leseprobe findet. Eine weitere sehr positive Besprechung findet ihr beim Leseschatz. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

3 Gedanken zu “Jami Attenberg | NICHT MEIN DING

  1. Hmmm … „Was man Jami Attenberg […] zugutehalten kann, ist, dass […]“ – Irgendwie fehlt da doch der zweite Teil des Satzes … Der mit dem guten deutschen Satzanfang: „aber“ … Klingt zumindest so. 🙂 Hat das was mit der sprachlichen Gestaltung zu tun, der Übersetzung?

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