Christine Wunnicke | DIE DAME MIT DER BEMALTEN HAND

D 2020 | 168 Seiten
Berenberg
ISBN: 978-3-946334-76-1

Musa al-Lahuri musste das Echtheitszertifikat seines Astrolabiums in drei Ausfertigungen unterzeichnen.

(Seite 5)

Mitte des 18. Jahrhunderts begibt sich der Mathematiker und Kartograf Carsten Niebuhr auf eine abenteuerliche Reise in die Arabische Welt, um im Auftrag des dänischen Königs Frederik V. und seines Mentors Johann David Michaelis den Wahrheitsgehalt biblischer Geschichten zu erforschen. Alle seine Begleiter sterben während der Reise an Malaria. Nach vielen Irrungen sitzt Niebuhr schließlich auf der Insel Gharapuri – genannt Elephanta – vor den Toren Bombays fest, wo er auf Meister Musa trifft, einen persischen Konstrukteur von Astrolabien – Ihr wisst schon: diese kunstvollen Sternscheiben –, der eigentlich auch nicht hier sein wollte.

Diese beiden Gelehrten versuchen nun, sich in gebrochenem Arabisch zu verständigen, die archäologisch nicht uninteressante Insel zu erkunden und die Zeit, bis sie von einem Schiff gerettet werden, irgendwie über die Runden zu bringen. Es folgt – begünstigt durch die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe und dem unweigerlichen lost in translation – ein Feuerwerk an Missverständnissen.


Man merkt Christine Wunnicke (*1960 in München) auf jeder Seite an, wieviel Spaß sie am Schreiben dieses schmalen aber außerordentlichen Historienromans gehabt haben muss. Die geschichtlich belegten Fakten um Niebuhr, seine Reisen, Gefährten und Auftraggeber sind gut recherchiert; die fiktiven Teile um Musa und die Begegnung der beiden Akteure sind sprachlich wunderbar in den Kontext eingearbeitet. Zusätzlich lädt Wunnicke alles metaphorisch auf – auf der Insel wimmelt es von Ziegen und Schlangen, und auch Sternbilder und ihre kulturell unterschiedlichen Deutungen spielen eine Rolle, und die Titel gebende Dame mit der bemalten Hand kommt schlussendlich aus einer ganz anderen Richtung als zunächst vermutet.

Ein großer, kluger Spaß also, den uns die Autorin hier vorsetzt. Allerdings hätte ich die gerade mal hundertsechzig Seiten nicht unterschätzen sollen. Der Roman wirkt so schmal und unscheinbar, dass ich dachte, die paar Kapitel schiebe ich in einer Spätschicht mal eben dazwischen – Pustekuchen! Die Sprache, die Wunnicke anschlägt, passt zwar hervorragend in die erzählte Zeit, widersetzt sich aber den üblichen Lesegewohnheiten – zumindest bei mir –, dass ich mit jeder Seite arg zu kämpfen hatte. Oft hatte ich große Mühe, dem Plot zu folgen und musste viele Stellen doppelt und dreifach lesen. Das kann ich Frau Wunnicke natürlich nicht in Rechnung stellen – das liegt allein an mir –, und am Ende war es eine lohnende Lektüre.

Ein Wort noch zum Buch als solchem: Der Berenberg Verlag, der ja schon oft mit gut produzierten Büchern punkten konnte, hat hier mal wieder ein kleines Schmuckstück hervorgebracht – Halbleinen, fünffach fadengeheftet, Type und Satzspiegel sind wunderbar aufeinander abgestimmt und leicht lesbar. Wie schön wäre es, öfter solche Bände in den Händen halten zu können…


DIE DAME MIT DER BEMALTEN HAND erschien wie erwähnt im Berenberg Verlag. Mit einem Klick aufs Coverbild kommt Ihr zur Verlagseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autorin, sowie eine Leseprobe findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

2 Gedanken zu “Christine Wunnicke | DIE DAME MIT DER BEMALTEN HAND

  1. Ich habe kürzlich in der ARD-Audiothek ein Gespräch mit der Autorin und (hervorragend gelesene) Ausschnitte aus der „Dame“ gehört – dies zusammen mit Deiner Rezension macht die Neugier darauf groß – danke!

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