Ääächz! Der Rücken, die Füße, der Kopf! Das Tageslicht holt mich auch heute wieder zwei Stunden vor dem Wecker aus dem Schlaf. Da bringt auch das Decke-übers-Gesicht-Ziehen nichts. Hilft alles nix: Neuer Tag, neue Runde. Gestern war ich auf der legendären, von Sagen umwobenen und Mythen bemetzten Tropenparty, die besucherzahlenmäßig recht übersichtlich begann. Der Laden hieß Kapital und bestand aus einem schmalen Schlauch die Bar entlang, ein paar Tischen, einer winzigen Tanzfläche und einem abgetrennten Lesesaal. Ich war relativ pünktlich da (vielleicht war das der Fehler) und bekam bei der die Party eröffnenden Lesung locker einen der wenigen Sitzplätze ab. Franz Dobler holterdipolterte durch sein Gespräch mit Thomas Palzer, der seinen neuen Roman DIE ZEIT, DIE BLEIBT vorstellte. Dobler stellte Fragen, die keine waren, und traf Aussagen mit Fragezeichen. Das Gespräch stockte mehrmals, was zwar Lacher provozierte, der Lesung aber eine unprofessionelle Note gab. Dobler war vor ein paar Monaten mit einem eigenen Buch in Rostock und wirkte da ähnlich fahrig; ist wohl sein Markenzeichen. Palzer las gut, der Text gab mir aber irgendwie nichts. Es gab auch keine Resonanz aus dem Publikum und der Lesesaal leerte sich nach dem Ende recht schnell.
Wieder zurück im Barbereich konnte ich kaum treten. In der einen Stunde, die die Lesung gedauert hatte, war halb Leipzig in den Laden geströmt. Getränke ordern? Aussichtslos. Die Toiletten? Unerreichbar. Unterhalten? Schwierig. Bauch an Bauch und Po an Po quetschte ich mich durch die Massen, traf viele Leute, blieb hier und da mal stehen, bis mich irgendjemand wieder weiterschob. So schien es aber allen zu gehen, nur die paar, die einen Platz direkt an der Bar ergattert hatten, klammerten sich eisern an ihren Getränken fest und gaben ihre Stellung nicht mehr her. Als mich die x-te Woge wieder Richtung Ausgang brachte, ergriff ich im Vorbeiziehen meine Jacke und auch gleich die Flucht. Draußen sah es nicht viel anders aus, der komplette Eingangsbereich voller Leute. Aber wenigstens war die Luft hier besser und man verstand sein eigenes Wort. Kurz nach Mitternacht war ich am Ende, fix und fertig, finito. Tolle Party, so viele coole Leute auf einen Haufen – das hat man selten. (Liebe Grüße an dieser Stelle an Isabella, Tobias, Lukas, Emily, Andrea und Silke!) Auf die Straßenbahn musste ich dann natürlich noch eine halbe Stunde warten und war dementsprechend spät zu Hause. Und jetzt dieses Tageslicht! Ääächz! Der Rücken, die Füße, der Kopf…
Die Fahrt zur Messe lasse ich dann aber ruhig angehen. Ich latsche ein bisschen durch Connewitz, esse Frühstück, nehme dann eine Tram zum Leuschner-Platz und steige dort in die S-Bahn. Am Hauptbahnhof dann die gleiche Menschenlawine wie gestern, nur dass mich das heute schon total kalt lässt, Profi der ich bin. Auf der Messe niste ich mich als erstes beim Blauen Sofa ein, wo im Halbstunden-Takt Gespräche mit Autoren und Autorinnen stattfinden. Wenn man eins, zwei Interviews hartnäckig abwartet, bekommt man sogar einen Sitzplatz. Sebastian Fitzek feuert eine Kalenderweisheit nach der anderen heraus und bekommt dafür erschreckend viel Applaus, und Masha Gessen erzählt sehr interessant über ihr neues Buch, das davon handelt, wie Russland ab den 90ern die Freiheit gewann und wieder verlor. Dann kommt er, der Held meiner Jugend, der coolste Endfünfziger Deutschlands: Bela B. Felsenheimer hat mit SCHARNOW seinen ersten Roman geschrieben. Ich konnte ein Exemplar ergattern und werde es demnächst hier vorstellen. (Hab schonmal reingelesen: Ein Literaturblogger wird von einem sinistren Buch gefressen … holy shit!)
Ich tingele noch ein bisschen durch die Verlage, melde hier und da Interesse an neuen Romanen an und treffe mich mit Juan S. Guse, der mit MIAMI PUNK mein persönliches Frühlingshighlight geschrieben hat. Wir hängen eine Weile in und zwischen den Hallen ab, das Wetter ist fast sommerlich. Dann hat er ein Interviewtermin und ich mach mich auf zu den Bloggertreffen bei Rowohlt und Fischer. Die, die gestern bei der Tropenparty versackt sind, sind ganz leicht an ihren Augenringen zu erkennen, und müssen aufpassen, dass sie nicht aus Versehen drauftreten. Irgendwann macht es Ding-Dong aus den Lautsprechern: Es ist 18°° Uhr, die Messe schließt.
Einen Termin habe ich noch, zwar erst um halb acht, aber jetzt nochmal nach Connewitz zu gurken, wäre mir zu stressig. Ich schließe mich einer kleinen Bloggertraube an, und wir fahren gemeinsam zur Wohnzimmerlesung von Demian Lienhard, der seinen Debütroman ICH BIN DIE, VOR DER MICH MEINE MUTTER GEWARNT HAT, dass ich ebenfalls demnächst besprechen werde. Sehr angenehm moderiert wurde die Lesung von Kaffeehaussitzer Uwe Kalkowski. Ich mag das Konzept von Wohnzimmerlesungen: es hat Charme und ist so viel persönlicher und privater, die Hemmschwellen sind viel geringer als bei öffentlichen Lesungen. In Rostock war ich vor ziemlich genau einem Jahr auch bei einer solchen Lesung, die mir ebenfalls sehr gut gefallen hat. Das sollte es viel öfter geben! Ich trage das mal bei unserem Literaturhaus vor, da muss sich doch was machen lassen.
Nach der Lesung wollen die anderen noch zur Party der Jungen Verlage. Klingt verführerisch, aber ehrlich gesagt: Ich kipp gleich aus den Latschen. Winke-winke und ab nach Hause. Morgen geht’s zurück nach Rostock, mal sehen, was die Fahrt so für Überraschungen bereithält. Gute Nacht!
Anreise | Messedonnerstag | Messefreitag | Rückfahrt
Ich bin schon gespannt auf deine Meinung zu Scharnow. Ich kämpfe ja gerade ein bißchen mit dem Hörbuch. Aber keine Sorge… Gefressen hat es mich noch nicht. 😉
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Ich denke, das ist großer Trash, und als genausolcher auch angelegt. Aber wieso auch nicht? Lektüre dauert aber noch, muss vorher noch ein paar Altlasten loswerden.
Liebe Grüße von der Ostsee nach Oberbayern!
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Ja… Meine Probleme mit dem Hörbuch sind eher die, daß es zuweilen ja so konfus wird, daß mir die Möglichkeit zum zurückblättern fehlt und was mich gerade ziemlich nervt ist, daß zwar am CD 1 alle 5 Minuten ein neuer Track startet, auf CD 2 geht der Track aber schon seit anderthalb Stunden. Also kann ich die CD icht aus dem Autoradio nehmen, wenn ich die Stelle nicht komplett verlieren will. 😣
Ist halt eher ein Problem mit dem Medium.
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[…] meinen schönsten Erlebnissen während der diesjährigen Leipziger Buchmesse zählt zweifellos die Lesung von Demian Lienhard, an der ich unter rund dreißig geladenen Gästen […]
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