Petra Piuk | WENN ROT KOMMT

A 2020 | 192 Seiten
mit Fotografien von Barbara Filips
Kremayr & Scheriau
ISBN: 978-3-218-01227-0

Lesen Sie den Text nicht unter Einfluss von psychedelischen Drogen.

(Seite 7)

Las Vegas – die Stadt der Sünde und des Lasters, Sammelbecken für Glücksritter und Aussteiger. An jeder Ecke lockt das Geld und der Rausch, aber auch der Betrug und die Armut. Lisa und Tom, ein junges Pärchen aus Österreich, verbringen eine kurze Zeit in dieser flirrenden Stadt, machen die Nächte durch, betrinken sich, nehmen jede Menge Drogen, heiraten in einer dieser wedding chapels, vergnügen sich mit Stripperinnen und verballern ihr Geld in den Casinos – immer auf dem schmalen Grat zwischen Hochgefühl und völligem Absturz.

Am Tag der Abreise dann der Schock: Lisa erwacht mit dickem Schädel im leeren Hotelzimmer – Tom ist weg. Ist er einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen? Liegt er irgendwo nackt im Straßengraben? Oder hat er sie einfach sitzengelassen und ist mit einer Hure durchgebrannt? Ein Ordnen der Erinnerungen ist nicht möglich, die vergangenen Tage sind ein Choas aus Bildern und Gefühlen, die zusammenzusetzen Lisa nicht ansatzweise in der Lage ist. Die einzige Rettung ist ihre Kamera, die bei vielen Aktionen mitlief.


Wer jetzt an Filme wie HANGOVER denkt, liegt gar nicht so weit daneben, allerdings ist WENN ROT KOMMT alles andere als eine Komödie. Es ist eher ein Höllentrip durch die sündigste aller Städte. Petra Piuk (*1975), die mit ihrem Anti-Heimatroman TONI & MONI eines meiner Highlights des Jahres 2018 vorgelegt hatte, führt uns hier nicht nur durch die schillernden Spaßtempel, sondern auch in die düsteren Ecken der Drogendealer, Waffenhändler und Obdachlosen.

Auffallend ist gleich beim ersten Durchblättern die Gestaltung des Buches, das einem kleinen Kunstwerk gleichkommt. Ein Durcheinander von Schriftarten in schwarz und rot, begleitet von Bild-Montagen der Fotografin Barbara Filips. Kurze, atemlose Sätze, zum Teil abgehackt und nicht beendet, was Lisas Gedankenfasching großartig in Szene setzt. Auch der Aufbau der Kapitel passt sich dem Gedächtnisverslust der Protagonistin an: Alle Kapitel folgen der Zahlenreihe eines Roulettekessels, sind also nicht chronologisch geordnet, sondern völlig durcheinander. In den dem Roman vorangestellten Spielregeln steht, man kann für die Lektüre den vorgegebenen Zahlen folgen, die Kapitel der Reihe nach ordnen oder sich an einem Roulette-Tisch selbst eine Reihenfolge zusammenspielen. Ordnungsliebend wie ich nun mal bin, habe ich die Kapitel von 1 bis 36 sortiert – so viel schlauer bin dadurch aber nicht durchs Buch gekommen. Es bleibt trotzdem ein einziges Chaos.

Ein schönes Buch, ein wildes Buch, ein Spiel, ein Kunstwerk. Petra Piuk zieht einmal mehr alle Register der Kunst und begibt sich erneut in die äußersten Winkel des Erzählens. Ganz große Klasse!


WENN ROT KOMMT ist im Wiener Verlag Kremayr & Scheriau erschienen, dem ich herzlich für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick aufs Coverbild kommt Ihr zur Verlagseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autorinnen, sowie eine Leseprobe findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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