Angelika Klüssendorf | APRIL

D 2014 | 220 Seiten
Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-04614-4

Die junge Frau klingelt an der Wohnungstür im Erdgeschoss. Auf dem Schild steht in verschnörkelter Schrift: Frl. Jungnickel. (Seite 7)

INHALT: Das Mädchen ist zur Frau geworden und hat sich einen Namen gegeben – April. Von ihrer tyrannischen Mutter hat sie sich erfolgreich abgewandt, doch der lange Kampf hat Narben hinterlassen. Ein Selbstmordversuch bringt sie sogar in die Nervenklinik. April ist oft scheu, manchmal aber auch voller Übermut. Sie trinkt zu viel, gabelt Männer auf, hat aber nie gelernt, über ihre Gefühle zu sprechen. Ihre Beziehungen strengen sie an, weil sie sie nicht beenden kann, obwohl es längst zu spät ist. Einzig mit Hans, der sie wirklich liebt, tritt sie in den Ehestand und bekommt ein Kind, ihren Sohn Julius, zu dem sie keine Bindung aufbauen kann. Der Schatten der Mutter verdunkelt ihr das Herz und nun ist es an April, ihrem Kind eine bessere Mutter zu sein.

Aber das fällt ihr nicht leicht, besonders in dieser Zeit des Unmuts und Aufbruchs. Die kleine Familie will die DDR verlassen und schafft es auch bis West-Berlin, doch die ersehnte Freiheit weicht einer kaum zu greifenden Orientierungslosigkeit zwischen all den Verlockungen, die auch das Eheglück ins Wanken bringt. Ruhe findet April einzig in der Literatur – das Schreiben wird ihr zum Rettungsring in dieser stürmischen See.

FORM: Im zweiten Roman ihres autobiografisch anmutenden Zyklus um das Mädchen April bleibt Angelika Klüssendorf (*1958) ihrem lakonischen Stil treu und beschreibt in knappen Sätzen zielsicher die Psyche ihrer Titelheldin. Die Kapitel sind etwas umfangreicher als beim Vorgänger und auch inhaltlich bleibt Klüssendorf länger an einem Thema hängen. Sie lässt sich mehr Zeit für alles, was den Lesefluss zwar angenehm entschleunigt, hier und da jedoch auch für  Längen sorgt. Das passt manchmal nicht ganz zum Timing, da die Geschichte ja doch recht schnell durch die Jahre rennt.

Im Gegensatz zu DAS MÄDCHEN geht es in APRIL erheblich weniger brutal zu, sehr zu meiner Erleichterung – noch so ein Martyrium hätte ich kaum ertragen. Schwierig bleibt Aprils Leben auch ohne die Erniedrigungen ihrer Mutter. Die Politik hingegen bekommt deutlich mehr Raum zugesprochen. Die Heldin ist keineswegs politisch engagiert, lässt sich aber auf einer Welle der Euphorie mitreißen. Die Folgen für sich selbst versteht sie nur selten, macht aber keinen Hehl daraus und kämpft ihr Leben weiter mit dieser unerschöpflichen Kraft, die schon im ersten Band so bewundernswert war.

FAZIT: Authentische Innenansicht einer labilen Frau in stürmischen Zeiten, leider mit ein paar Längen – 4 Sterne.


AprilAPRIL erschien beim Verlag Kiepenheuer & Witsch und ist dort auch bereits als Taschenbuch erhältlich. Alle weiteren Informationen findet Ihr hier. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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