Sascha Reh | RASEREI

D 2022 | 240 Seiten
Schöffling Verlag
ISBN: 978-3-8956-1084-4

Obwohl er besser Italienisch spricht als Vera – sicherer in der Grammatik, mit größerem Wortschatz –, ist meistens sie es, die das Reden übernimmt.

(Seite 9)

Jonas und Vera betreiben einen Reiseblog, der sie oft an interessante Orte führt. Unterstützt von Gutscheinen aller Art, genießen sie mit ihren Kindern – den jungen Zwilligen Enno und Mats – Urlaubswochen in Gegenden weitab von Massentourismus. Doch am Ende ihrer letzten Reise – einer beschwerlichen Fahrt von Süditalien zurück nach Berlin; schon kurz vor der Haustür – passiert ein Unglück, das das Familienglück von Grund auf zerstört.

Ein Raser ballert mit seinem SUV in Hochgeschwindigkeit durch das Wohngebiet, kommt von der Straße ab und erfasst in voller Fahrt Vera und den kleinen Mats, die auf der Stelle ihr Leben verlieren. Jonas bleibt mit Enno und einer erdrückenden Trauer zurück. Die Untersuchungen im Anschluss verlaufen mehr oder weniger im Sand. Angeblich hatte der Fahrer einen Herzinfarkt, die genauen Umstände kommen kaum ans Licht und belangt wird der Kerl auch nicht. Je mehr Jonas recherchiert, desto deutlicher wird: Der Raser – Radomir Milić – wird gedeckt. Er war in den Neunzigern Soldat im Bosnienkrieg und ist heute ein dubioser Anwalt mit Verbindungen zu international operierenden Clans aus Nahost. Von Rachelust geleitet, nimmt Jonas den ungleichen Kampf auf, denn er hat eine Waffe, mit der er Milić empfindlich schaden kann: seine Blogprominenz, die einige Tausend Follower umfasst – Öffentlichkeit ist etwas, was der Untergrund-Anwalt gar nicht leiden kann.


Augenscheinlich ist RASEREI ein Thriller, zumindest wird das Buch als solcher wahrgenommen. Nun ist es so, dass ich Thrillern gegenüber immer skeptisch bin. Dass der Tod eines oder mehrerer Menschen oft nur als Ausgangspunkt eines actionreichen Plots oder irgendwelchen kranken Psychospielchen dienen muss, finde ich extrem geschmacklos. Was mich interessiert, ist weniger, wie ein Mord oder Unglück gerächt oder aufgeklärt wird, sondern eher, wie die Hinterbliebenen mit der Trauer umgehen. Und genau da macht Sascha Reh mit seinem Roman eine Ausnahme, die ich dankbar annehme. Natürlich sind alle genretypischen Elemente vorhanden: Cliffhanger an den Kapitelenden, zahlreiche Plottwists und eine Handlung, die nach und nach diverse Machenschaften aufdeckt – aber das ist für mich alles nebensächlich. Der Autor vergisst nicht, dass es auch um Trauer geht, um psychische Ohnmacht im Angesicht nicht nachvollziehbarer Ungerechtigkeit. Das macht RASEREI äußerst lesenswert.

Es wird nämlich nicht nur erzählt, wie Jonas in seinem Zorn dem unantastbaren Anwalt auf die Pelle rückt, sondern auch, wie er den familiären Halt verliert, wie er daran scheitert, sich weiter um den verbliebenen Sohn zu kümmern, der die Welt noch nicht versteht. Reh gibt dem Buch neben all dem – zugegebenermaßen sehr spannenden – Thrill genau die emotionale Tiefe, die meines Erachtens jeder Roman braucht, der in irgendeiner Art das Thema Tod behandelt. RASEREI sticht heraus, ist mehr als simple Unterhaltung – andere Genre-Autoren dürfen sich gern ein Beispiel daran nehmen.


RASEREI erschien im Schöffling Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick aufs Coverbild kommt ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet.

Eine kleine Bitte noch: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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