Gerasimos Bekas | ALLE GUTEN WAREN TOT

D 2018 | 256 Seiten
Rowohlt
ISBN: 978-3-498-00684-6

Pentelischer Marmor macht ästhetisch einiges her, eignet sich jedoch nur bedingt als Fußbodenbelag. (Seite 5)

Aris lebt im beschaulichen Würzburg und arbeitet dort als Altenpfleger in einem Spital. Von Frau Xenaki – einer Griechin, die er betreut – bekommt er den Auftrag, in deren alte Heimat zu fliegen, einen Koffer mit einer Erbschaft zu finden und diesen ihrer Enkelin Aphrodite zu übergeben. Aris lässt sich widerwillig auf das Abenteuer ein und reist nach Griechenland, das Land seiner Vorfahren, denn er selbst wurde als Kind von deutschen Eltern adoptiert. Was er nicht weiß: Die Erbschaft hat auch mit ihm selbst und seiner Herkunft zu tun. Auf seiner Reise stolpert er immer tiefer in die Geschichte seiner Familie und durch ein Land, dessen Volk seit Jahrzehnten den Spagat zwischen Armut und unbeugsamer Lebensfreude meistert.


Zwei Dinge machen Gerasimos Bekas‘ (*1987) Debütroman sehr lesenswert. Zum einen ist das der treffsichere Humor, der sich durch jedes Kapitel zieht und von Kalauern bis zu beißendem Sarkasmus reicht; zum anderen die Figurenbeschreibungen, die mit wenigen Pinselstrichen auskommen. Die betagte Frau Xenakis zum Beispiel, die zwar nicht mehr so gut zu Fuß ist, es verbal aber mit jedem aufnehmen kann, oder den windigen Taxifahrer Sakis, der in der halben Stadt Schulden hat und Aris ein Märchen nach dem anderen auftischt – alle Figuren, auch die am Bildrand, sind mit viel Tiefe gezeichnet und wirken in all ihrer Schrulligkeit liebenswert.

Der Roman erzählt zwei Handlungsstränge parallel. Den Hauptteil des Buches nimmt Aris und seine Reise ein. Zwischen diese – griechisch durchbuchstabierten – Kapitel sind Rückblenden eingefädelt, die den Zeitraum von 1942 bis 1995 episodenhaft abdecken, und das Griechenland unter deutscher Besatzung, im darauf folgenden Bürgerkrieg und während der Militär-Diktatur zeigt. Alles aus der Sicht des Sinnsuchers Stylianos, der in diesen wirren Jahren seiner Bestimmung folgt. Als Gegengewicht zur doch eher witzigen Haupthandlung – und quasi als Geschichtsstunde für uns Leser – bringen diese Kapitel die nötige Tiefe in den Roman.

Allerdings hätte sich Bekas meiner Meinung nach viel länger hier aufhalten können. Diese Kapitel wirken im Nachhinein zu zielgerichtet, als seien sie nur dafür da, um dem Ende die passende Logik zu geben. Die Geschichte Griechenlands streifen sie nur nebenbei, was schade ist. Über England und Frankreich weiß man irgendwie alles, über die USA sowieso, Italien, Spanien, alles schonmal gehört. Aber Griechenland ist – zumindest für mich – ein eher unbeschriebenes Blatt, da kennt man nur die Antike und die Schuldenkrise, also ganz oll oder ganz frisch. Und dazwischen…? Hier hätte Bekas jede Menge Lücken schließen können, ohne groß Gefahr zu laufen, ein Thema zu beackern, dass schon hundertfach beschrieben wurde.

Schlussendlich lässt sich sagen, dass Gerasimos Bekas (*1987) mit ALLE GUTEN WAREN TOT einen soliden Erstling vorgelegt hat, der leicht zu lesen ist, mit viel Witz und tollen Figuren aufwartet. Die perfekte Lektüre für den nächsten Urlaub.


9783498006846ALLE GUTEN WAREN TOT erschien im Programm Hundert Augen des Rowohlt-Verlages, dem ich sehr für das Rezensionsexemplar danke. Alle weiteren Informationen findet Ihr hier. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

2 Gedanken zu “Gerasimos Bekas | ALLE GUTEN WAREN TOT

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