Coco Mellors | CLEOPATRA UND FRANKENSTEIN

USA 2022 | 510 Seiten
OT: »Cleopatra and Frankenstein«
Aus dem Englischen von Lisa Kögeböhn
Eichborn Verlag
ISBN: 978-3-8479-0144-0

Sie stand schon im Fahrstuhl, als er einstieg.

(Seite 9)

Cleo und Frank – zwei Menschen voller Unterschiede, ein Paar zwischen Zuneigung und Ablehnung, eine Liebe wie eine bipolare Erkrankung. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf und heiraten ebenso schnell, allerdings ohne sich vorher eingehend zu prüfen. Cleo ist chronisch pleite, eine junge Kunststudentin aus England, die ihr Glück in New York City versucht. Frank dagegen – gut zwanzig Jahre älter als Cleo – ist erfolgreicher Unternehmer mit starkem Hang zu Alkohol und Aufputschmitteln. Zarte Künstlerseele trifft auf selbstzerstörerischen Kapitalisten – eine Beziehung, die zum Scheitern verurteilt scheint.


Ich hätte ahnen müssen, dass dieses Buch nicht zu mir passt. Als ich auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse im April eines der ersten Leseexemplare des Romans in die Hand gedrückt bekam, wurde ich von einigen Bekannten – weiblich und jung – darauf angesprochen. »DU liest Cleopatra und Frankenstein? Das ist doch gar nicht dein Ding. Da bin ich ja mal gespannt.« (Der Roman war auf Englisch bereits ein großer Erfolg, auch bei deutschsprachigen Leserinnen – ich hatte kurzzeitig das Gefühl, ich wäre der Einzige, der noch nie davon gehört hatte.) Spätestens da hätte ich skeptisch werden müssen. Wurde ich aber nicht. Und nun stehe ich da, mit Nackenschmerzen vom andauernden Kopfschütteln und um viele Lesestunden hart gealtert… Meine Fresse, was für ein Schmus!

CLEOPATRA UND FRANKENSTEIN ist genau die Art von billig zusammengeschusterter Drama-und-Romance-Literatur, bei der ich mich immer frage, wie so etwas ein Welterfolg werden konnte. An diesem Roman stimmt einfach nichts. Das fängt schon mit den Charakteren an, ein bunter Reigen gutsituierter Ostküstler, die in offenkundiger Absicht zusammengewürfelt wurden, um möglichst viele Minderheiten abzudecken. Da gibt’s neben Cleo und Frank – die arm und reich, zart und hart verkörpern – ein schwules Pärchen, ein paar People of Colour, einen Übergewichtigen, und so weiter. Im Laufe des mit gut fünfhundert Seiten viel zu langen Romans wird dann kurz auf alle eingegangen, wird gezeigt, was für Probleme sie haben und fertig… nichts weiter, nur, damit es abgehakt werden kann. Und diese Probleme sind gar keine richtigen Probleme, CLEOPATRA UND FRANKENSTEIN ist ja keine Milieustudie. Den Leuten in diesem Roman geht’s eigentlich prima – sie geben große Partys, fliegen um die Welt, gründen Firmen –, sie machen nur ein riesiges Gewese um Nichtigkeiten. Die Dialoge eiern entweder auf Seifenoper-Niveau um irrelevanten Kram oder es wird sich knallhart gestritten, was zu völlig überzogenen Handlungen führt. Am meisten genervt hat mich Cleo selbst. Sie ist schön und klug, fortschrittlich woke und äußerst feinfühlig – kurzum: sie ist klischeebeladen perfekt. Sie wandelt wie eine Märchenprinzessin durch das dunkle New York, doch anstatt eine wirkliche Entwicklung durchzumachen, leidet sie die ganze Zeit einfach nur vor sich hin. (Zwischendurch klärt sie ihr Umfeld permanent darüber auf, dass diese oder jene Bemerkung sexistisch oder rassistisch war. Aber auch das ohne erkennbaren Nutzen, einfach nur, damit der Roman eine emanzipatorische Ebene bekommt.)

Es gibt so viele Dinge in diesem Roman, die nicht oder nur halb funktionieren. Warum zum Beispiel spielt das Buch in den späten Nullerjahren? Ich habe keine Gründe dafür gefunden, sowas macht mich irre. Der Wechsel von George W. Bush zu Barack Obama hätte eine Erklärung sein können – schließlich gab es 2009 in vielen Schichten Amerikas ein großes Aufatmen, was sicher auch für die eine oder andere von Mellors Figuren interessant gewesen wäre –, doch das Wort Präsident taucht nicht ein einziges Mal auf. Natürlich kann man jetzt sagen, es sei doch egal, wann das Buch spiele … und genau das ist der Punkt! In CLEOPATRA UND FRANKENSTEIN ist so vieles egal, ist so vieles einfach nur zusammengeklebt, weil es entweder besonders romantisch oder besonders dramatisch ist. Literarisch wertvoll oder gesellschaftlich relevant ist hier kaum etwas. Fünfhundert Seiten Herzschmerz und Erste-Welt-Probleme von realitätsfremden Richies – das ist nichts für mich. Ich bin mir sicher, dass der Roman auch im deutschsprachigen Raum ein begeistertes Publikum finden wird, und das geht auch völlig in Ordnung. Für mich persönlich ist CLEOPATRA UND FRANKENSTEIN jedoch ein ganz heißer Anwärter auf den Reinfall des Jahres.


CLEOPATRA UND FRANKENSTEIN erschien in der Übersetzung von Lisa Kögeböhn im Eichborn Verlag, dem ich natürlich trotzdem herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick aufs Coverbild gelangt Ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autorin, sowie eine Leseprobe findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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