Kazuo Ishiguro | DAMALS IN NAGASAKI

GB 1982 | 222 Seiten
OT: »A Pale View of Hills«
aus dem Englischen von Margarete Längsfeld
Wilhelm Heyne Verlag
978-3-453-42157-8

Niki, der Name, den wir meiner jüngeren Tochter schließlich gaben, ist keine Abkürzung. Es war ein Kompromiss, den ich mit ihrem Vater schloss. Seite 7)

INHALT: Die junge Etsuko lebt mit ihrem Mann Jiro in Nagasaki. Die Stadt liegt nach dem Abwurf der Atombombe Fat Man in Schutt und Asche, doch der Wiederaufbau ist in vollem Gange und das junge Paar hat in einem der vielen neuen Plattenbauten eine Bleibe gefunden. Gegenüber ihres Blocks steht eine einsame Holzhütte am Flussufer, die eine Mutter mit ihrer Tochter bezieht. Etsuko freundet sich mit der Frau an, doch Sachiko, so ihr Name, scheint Geheimnisse zu haben und bleibt verschlossen. Sie hat einen Amerikaner kennengelernt, der ihr versprochen hat, sie und Mariko, ihre Tochter, mit in die Staaten zu nehmen. Doch ganz gegen den Optimismus ihrer Mutter, hasst Mariko den Amerikaner und will Japan nicht verlassen. Das Kind sträubt sich, wo es nur kann, reißt immer wieder aus, schreit herum und hat Albträume, aber gegen den Willen der Mutter kann sie nichts ausrichten – sie muss mit.

Jahrzehnte später; Etsuko hat es nach England verschlagen. Ihre Ehe mit Jiro ist in die Brüche gegangen, sie hat sich in einen Briten verliebt und Japan mit ihm verlassen. Doch auch diese Beziehung war nicht von Dauer, Etsuko lebt allein. Nach dem Selbstmord ihrer älteren Tochter Keiko – das Kind Jiros – bekommt sie für ein paar Tage Besuch von Niki, ihrer Jüngsten. Die tiefe Trauer und der seltene Besuch bringen Etsuko zum Nachdenken über sich und ihr Leben und es kommen in ihr Erinnerungen hoch, an die Zeit in Nagasaki, an Sachiko und ihre Tochter – wie es ihnen wohl ergangen ist?

FORM: Kazuo Ishiguro (*1954) schlägt in seinem Debütroman einen äußerst zarten Ton an. Die Sätze sind so fragil, dass man fast Angst haben muss, sie durch die bloße Lektüre zu zerstören. Eingehüllt in diese zerbrechliche Prosa, wirken die seltenen Ausbrüche wie Kriegsgeheul. Wenn die junge Mariko beispielsweise schreit, sie hasse den Amerikaner, er stinke wie ein Schwein und saufe seine eigene Pisse!, dann traut man seinen Augen nicht – Hat sie das jetzt wirklich gesagt?

Geschrieben ist der Roman aus der Sicht Etsukos, die gealtert im ländlichen England sitzt und um ihre Tochter trauert. Interessant an dieser Figur ist, dass wir Leser ihr als Erzählerin nicht ganz trauen können. Über ihre Tochter Keiko wird kaum etwas berichtet, und auch über den Verbleib von Sachiko und Mariko erfahren wir nichts. Zwischen den Zeilen aber lässt Ishiguro viel Platz für Vermutungen. Kann es sein, dass sich Etsuko Sachiko nur ausgedacht hat? Dass es sich in Wahrheit nur um eine Person handelt? Und wenn wir wissen, wie es Keiko in der Fremde ergangen ist, kennen wir dann auch Marikos Ende?

Die oben erwähnte Zartheit ist in der japanischen Literatur nicht unbekannt und auch sehr beliebt, also muss ich mich jetzt, wo alle wieder im Murakami-Fieber sind, wohl mal outen: Ich mag das nicht. Diese höflichen Gespräche, das ständige Sich-Entschuldigen, diese permanente Disziplin und Feinsinnigkeit, und alle wandeln sie wie im Schlaf – das ist einfach nicht mein Ding. Von Ishiguro kannte ich bis jetzt nur seine Organspenden-Dystopie ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN, und obwohl die Lektüre schon zehn Jahre zurückliegt, denke ich immer noch mit Grauen an die Langeweile, die mich beim Lesen fast zermürbt hat. Ähnlich ging es mir bei meinen Versuchen, mit Murakami warm zu werden, und auch jetzt bei DAMALS IN NAGASAKI war es nicht besser. Die Geschichten mögen noch so großartig sein, es ist dieser japanische Stil, dem ich nichts abgewinnen kann. Nobelpreis hin oder her – wir werden keine Freunde mehr.

FAZIT: Not my cup of tea – 2 Sterne.


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DAMALS IN NAGASAKI erschien als Taschenbuch im Heyne Verlag. Alle weiteren Informationen findet Ihr hier. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

Ein Gedanke zu “Kazuo Ishiguro | DAMALS IN NAGASAKI

  1. Hach, GENAUSO geht es mir auch mit diesem Buch und mit anderen Texten japanischer Literatur, die ich gelesen oder letztlich nur angelesen habe. Wobei Ishiguro eigentlich kein japanischer Autor ist, aber sein Stil ist seltsamerweise so. Ich habe mich schon gefragt, welche Rolle hier die Übersetzung spielt. Aber „Klara und die Sonne“ ist ähnlich erzählt.
    Und spannend sind auch diese beiden Frauenfiguren, ich habe auch in diese Richtung gedacht, dass es vielleicht ein und dieselbe Figur ist, es dann wieder verworfen, um nicht zu viel hineinzuinterpretieren… Aber vielen Dank für deinen Leseeindruck! Ich gebe vielleicht jetzt auch endlich mal auf mit den Murakamis und Ishiguros.

    Gefällt 1 Person

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