D 2011 | 165 Seiten
Suhrkamp Verlag
ISBN: 978-3-518-42266-3
Das Haus meiner Kindheit war groß und leer. (Seite 9)
INHALT: Im zweiten Band seines autobiografischen Großwerks ORTSUMGEHUNG nimmt Andreas Maier uns mit in seine Kindheit und die ersten Schuljahre bis in die Mitte der Siebziger. Andreas ist ein stilles Kind, die ersten Jahre redet er überhaupt nicht, ist mutistisch. Von anderen Kindern hält er sich fern, dem Kindergarten verweigert er sich sogar so, dass die Eltern ihn zu Hause lassen. Auch in der Schule bleibt Andreas ein Außenseiter. Er ist zwar ein guter Schüler, wird aber gehänselt und sucht stets die sichere Nähe zu den Lehrern, was ihm noch mehr Spott einbringt.
Schwierig ist auch das Verhältnis zu seiner Familie. Mit seinem emotionslosen Bruder kann Andreas wenig anfangen, und seine herrische Schwester quält ihn wo sie nur kann. Die meisten Schmerzen aber bereitet ihm die Zeit mit seinen Eltern, besonders dem Vater, einem erfolgreichen Geschäftsmann, streng und ohne Liebe, der Andreas stets wissen lässt, wie wenig er von ihm hält. Vor der alltäglichen Frühstückszeremonie entwickelt Andreas über die Jahre eine unbezwingbare Furcht, und sein ohnehin schon schwaches Selbstbewusstsein gerät mit jedem Jahr mehr ins Wanken.
FORM: Nachdem es in DAS ZIMMER, dem ersten Band der ORTSUMGEHUNG, fast ausschließlich um Onkel J. ging, bringt sich Andreas Maier (*1967) nun selbst also ins Spiel. Der Ton, den er dabei anschlägt, ist gewohnt nüchtern und präzise. Im Unterschied zum Auftaktroman, in dem man über den tumben Onkel – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – doch einigermaßen lachen musste, fehlt in DAS HAUS der Humor komplett, was dem Lesespaß aber kein Ende bereitet. Es ist eben ein ernsteres Buch mit einer ernsteren Figur.
Der junge Andreas ist mit all seinen Ängsten und Leiden sehr authentisch beschrieben, man kauft Maier seine Figur ab, obwohl – wie bei allen autobiografischen Romanen – auch hier wieder die Frage im Raum steht, wie weit die Biografie reicht und wo die Fiktion beginnt. Nahezu unerträglich glaubhaft beschreibt Maier die Ängste seiner Figur beim rituellen Frühstückskleinkrieg. Der Kloß in Andreas‘ Hals (globus hystericus), der von Tennisball- auf Zimmergröße anschwellen kann, wird fast zu einer Nebenfigur, einem steten Begleiter, der viel über die kränkelnde Psyche des Jungen aussagt. Hier beweist Maier einmal mehr sein Können in Sachen Figurentiefe.
FAZIT: Auch der zweite der geplanten elf Bände konnte mich begeistern und ich bin gespannt, wie es weitergeht. Fünf Sterne. Einen großen Dank an dieser Stelle nochmals an Marina Büttner, die mich vor einiger Zeit auf diese Reihe aufmerksam gemacht hat.
DAS HAUS erschien im Suhrkamp Verlag. Alle weiteren Informationen findet Ihr hier. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.
Sehr gerne! Übrigens kommt im Februar ein neuer Band: Die Universität. Ich freu mich drauf …
Viele Grüße gen Norden!
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Schon auf’m Zettel! Grüße zurück!
Bookster HRO
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Das klingt sehr interessant, danke für den Blogbeitrag – habe mir gestern Abend gleich mal den ersten Band „Das Zimmer“ bestellt und bin sehr gespannt. Herzlichen Gruss. Adrian
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Das freut mich. Viel Spaß beim Lesen!
Beste Grüße von der Ostsee! Bookster HRO
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[…] nochmal die Links zu den Rezensionen der anderen Romane der Reihe: DAS ZIMMER | DAS HAUS | DIE STRASSE | DER ORT | DER […]
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[…] nochmal die Links zu den Rezensionen der anderen Teile der Reihe: DAS ZIMMER | DAS HAUS | DIE STRASSE | DER ORT | DER KREIS | DIE […]
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[…] die Links zu meinen Rezensionen der anderen Bände:DAS ZIMMER | DAS HAUS | DIE STRASSE | DER ORT DER KREIS | DIE UNIVERSITÄT | DIE […]
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