Viktor Gallandi | KASPAR

D 2023 | 448 Seiten
Karl Rauch Verlag
ISBN: 978-3-7920-0281-0

Ich bin in diesem Zimmer, seit, sagen wir, einigen Wochen.

(Seite 7)

Leute, ich bin sauer! Richtig sauer! Ich dachte, das Literaturjahr wäre vorbei, die paar Tage zwischen den Jahren, wie man so schön sagt, lese ich noch locker runter, da wird schon nix Dickes mehr kommen. Seit Wochen verkünde ich jedem, der’s hören will, welches meine Lieblingsbücher 2023 sind, alles ist fein säuberlich für den Jahresrückblick geplant und vorbereitet … und dann steckt mir plötzlich ein gewisser Viktor Gallandi, von dem ich noch nie etwas gehört habe, mitten aus dem Nirgendwo einen Ast in die Speichen!? Alter, das kann doch wohl nicht wahr sein!

Worum es in Gallandis Debütroman KASPAR geht? Tja… wie soll ich sagen… ich habe keine so rechte Ahnung. Da liegt dieser titelgebende Kaspar in einem Bett in einem Raum, einem Krankenzimmer vielleicht, und wird von einem Roboter gepflegt, den er liebevoll Das Viech nennt. Wie Kaspar dorthin gekommen ist, versucht er in einer Art Reisebericht zu beschreiben, einem ellenlangen Text, an dem er immer dann werkelt, wenn das Viech den Raum verlässt… und er hat eine ganze Menge zu erzählen.

Kaspar lebte allein in einem Wald, bevor er Praktikant bei einer dubiosen Firma namens Æxego wurde – Aufgabengebiet: unklar. Der stellvertretende Filialleiter Drawer gibt Kaspar den Auftrag, den eigentlichen, aber spurlos verschwundenen Fillialleiter Darz aufzuspüren, wo immer der sich gerade aufhalten mag. Ganz nebenbei gibt Kaspar Drawer das Versprechen, auf der Reise jemanden zu finden, der Drawers unfangreiche Gedichtsammlung veröffentlicht. Keine leichten Unterfangen, denn die Poeme sind grauenvoll und die Suche durch den endlos scheinenden Winterwald so gut wie aussichtslos, zumal Kaspar nur mit einem Nissan Mikra unterwegs und – nebenbei bemerkt – erst fünfzehn Jahre alt ist.


Habe ich schonmal erwähnt, dass ich mich gerne von Büchern überrumpeln lasse? Ich glaube, nur etwa ein Dutzend Mal dies Jahr. Nun, KASPAR ist der Inbegriff von Überrumpelung, ist Überrumpelung pur. Wenn man sich mal ordentlich von einem Buch überrumpeln lassen will, sollte man zu KASPAR greifen, hier wird man nach Strich und Faden und – vor allen Dingen – zur vollsten Zufriedenheit herrlich überrumpelt.

Dabei fing die Lektüre ganz harmlos an. Das Zimmer, das Viech, die frühen Erinnerungen, der Beginn der Reise – alles sehr angenehm, hier ein bisschen seltsam, dort ein bisschen mystisch… oder mythisch?, keine Ahnung, sehr interessant jedenfalls. Doch je weiter die Odyssee des völlig überforderten Kaspar geht, desto verrückter wird alles. Relativ schnell ist kaum noch zu unterscheiden, ob das alles ernst gemeintes Entertainment oder grandios verschachtelte Fieberträume sind, die dort die Seiten füllen. Auf alle Fälle erkennt man den Spaß, den Gallandi beim Schreiben wohl hatte. Der komplette Text trieft vor Ironie, enthält unzählige Metaebenen, ist gleichermaßen hochliterarisch und zum Abwiehern profan. Bei einigen Szenen habe ich vor Lachen echt Tränen vergossen. Das Ganze hat mich in Bezug auf Atmosphäre und Erzählweise ein bisschen an den Film BEAU IS AFRAID von Ari Aster erinnert, den ich dieses Jahr sehr gefeiert habe.

Was für ein Buch! Was für eine Wucht! Was für eine Wohltat! Es gibt sie noch, die Bücher, die einen ungefragt überrumpeln und mit einem breiten Grinsen zurücklassen. Ich ziehe meinen sprichwörtlichen Hut, Herr Gallandi, vielen Dank für diesen großen Spaß! Ein spätes Highlight für mich – muss ich meine Top-Liste wohl nochmal überarbeiten…


KASPAR erschien im Karl Rauch Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick auf das Coverbild gelangt Ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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