D 2019 | 224 Seiten
Blumenbar
ISBN: 978-3-351-05068-9
Lesen und Schreiben hat mir Edith beigebracht. Damals war ich für sie noch eine Verbündete. (Seite 9)
Die junge Skalde lebt mit ihrer Mutter Edith mehr schlecht als recht in einem vom Rest der Welt abgeschotteten Dorf in den Wäldern. Sie ernähren sich von Beeren und dem Fleisch der Kaninchen, die sie züchten, bauen Obst und Gemüse an, das sie im Dorf gegen Benzin und andere Alltagsgüter tauschen. Als Skalde eines Tages ein fremdes Mädchen namens Meisis findet und mit nach Hause bringt, ist es aus mit dem Dorffrieden, denn Fremde aus der Außenwelt sind nicht erwünscht. Allein schon Meisis feuerrotes Haar erregt die Gemüter bis hin zu Morddrohungen. Als sich in den Folgewochen das Wetter ändert und eine verheerende Dürre die Ernte bedroht, ist die vermeintlich Schuldige schnell gefunden. Skalde versucht alles, die Gemüter zu beruhigen, doch die nach Lynchjustiz geifernde Dorfgemeinschaft ist zu mächtig. Als Ausweg bleibt nur die Flucht, aber was hinter den Wäldern, dem toten Land und dem Meer liegt, ist dem Untergang geweiht.
Der Debütroman der 1993 in Berlin geborenen Helene Bukowski lebt von seiner permanent bedrohlichen Atmosphäre. Das Setting mutet fast mittelalterlich an – bis auf Autos und ein paar Alltagsgegenstände wie Radios und Lampen gibt es kaum nennenswerte Technik –, könnte aber ebensogut in einer fernen Zukunft spielen. Damit erinnert es ein wenig an den Film THE VILLAGE, die meines Erachtens letzte Großtat des Regisseurs M. Night Shyamalan aus dem Jahr 2004.
Erklärt wird – anders als bei Shyamalan – eher wenig. Wir Leser werden ohne Vorwarnung in die Geschichte geworfen und können Skalde bei ihrem ungleichen Kampf bis zum Ende nur zusehen. Was genau die Hintergründe für den Hass gegen Meisis und die Ursprünge für das Dorf an sich sind, oder was hinter dem Meer wartet, bleibt im Dunklen. Sicher, es gibt Anhaltspunkte, die Bukowski hier und da streut, aber im Großen und Ganzen folgt sie dem Leitspruch Show, don’t tell, was ich grundsätzlich als sehr angenehm empfinde.
Zwischen den Zeilen beackert Bukowski gleich zwei schwergewichtige Themen: die Zerstörung der Erde durch den Menschen einerseits – die Dorfgemeinschaft ist als quasi-kommunistischer Gegenentwurf zum alles vereinnehmenden Kapitalismus gedacht –, und Fremdenhass andererseits. Damit ist sie thematisch auf der Höhe der Zeit und weiß ihr Anliegen in eine spannende Geschichte zu verpacken – was will man als Leser mehr? Ein gelungenes Debüt einer talentierten Autorin.
MILCHZÄHNE ist beim Blumenbar-Verlag erschienen, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Alle Informationen über Buch und Autorin findet Ihr hier. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.
[…] rein. Anselm Oelze mit WALLACE habe ich mir notiert, Gregor Hens mit MISSOURI, Helene Bukowski mit MILCHZÄHNE und andere. Wieder viel zu viel; wann soll ich das alles […]
LikeLike
[…] Atmosphäre ganz gut zum Buch passt. (Das ging mir in diesem Jahr schonmal so mit Helene Bukowskis MILCHZÄHNE.) Und auch die in dem Dorf praktizierte Religion ist ein Mix aus den Weltreligionen. (Das Heilige […]
LikeLike
[…] bleibe bei meinem Statement, das ich nach der Lektüre ihres Debütromans MILCHZÄHNE geäußert habe: Helene Bukowski ist hochtalentiert! Hier aber liefert sie zu viel des Guten. Ein […]
LikeLike