Susanne Thomas | IN ZEITEN DES TULPENWAHNS

D 2021 | 234 Seiten
Ruhland Verlag
ISBN: 978-3-88509-166-0

Dichter Morgennebel lag auf den sumpfigen Feldern vor den Toren Haarlems.

(Seite 5)

Eine Sache, die ich nie verstanden habe, ist der Aktienmarkt. Was passiert mit dem Wert einer Aktie, wenn eine Firma dies oder das tut? Verliere ich wirklich all mein Geld, wenn ich langsamer verkaufe, als alle anderen? Und warum wird am Ende immer irgendjemand sehr reich und ein anderer dafür sehr arm? Für mich sind das alles böhmische Wälder. Ich bin ausreichend sozialistisch erzogen, um zu wissen, dass ich mit dem Wenigen, was ich habe, nicht an der Börse zocken muss, um glücklich zu sein. Ein Freund von mir sagt immer: »Geld ist bedrucktes Papier.« Recht hat er.

Spekuliert wird schon seit hunderten von Jahren, damals halt noch nicht vorrangig mit Wertpapieren, dafür aber mit alltäglichen Handelsgütern, wie etwa Gewürzen oder Blumen. Die Tulpe zum Beispiel – das Wahrzeichen der Niederlande – war in den 1630er Jahren Handelsobjekt N°1 für die holländische Upper Class. Züchter kauften Tulpenzwiebeln in rauen Massen, verschnitten und veredelten sie und verkauften sie an den Adel für horrende Preise, die mit den Ablegern weiterschacherten. Die Spekulationsblase, die daraufhin entstand, war gigantisch. Es wurden goldgleiche Preise für einzelne Blumenzwiebeln erzielt, die den eigentlichen, den naturgegebenen Wert um das Zigfache überschritten und mit normalem Menschenverstand nicht mehr zu erklären waren. Doch wie es solchen Blasen nun mal in der Natur liegt, neigen sie zum Platzen. In genau diese Epoche führt uns Susanne Thomas in ihrem Roman IN ZEITEN DES TULPENWAHNS.


Der Witwer Nicolaes Verbeeck ist Gärtner bei der wohlhabenden Familie van der Gheest. Er liebt die Flora im Allgemeinen und die Tulpe im Besonderen und kann ganz exklusive Züchtungen sein Eigen nennen. Mit dem verrückten Tulpenhandel, der derzeit für Furore sorgt, kann er dagegen nichts anfangen; für ihn sind die Blumen Kunstwerke der Natur und keine schnöden Geldanlagen. Doch als seine bildschöne Tochter Margriet heiraten will, steht eine saftige Mitgift an, die bezahlt werden will, also steigt er in den Handel ein … mit fatalen Folgen.

Es ist natürlich nicht nur der Tulpenwahn, den Susanne Thomas in ihrem Roman zum Thema hat. Es erwartet uns auch eine klassisch dramatische Liebesgeschichte zwischen der Gärtnerstochter Margriet und Frans van de Cruys, Spross einer verarmten Adelsfamilie – eine Liebe also, die erst noch soziale Schluchten überwinden muss, um zu gedeihen. Und ganz nebenbei geht es auch um die Hugenotten – die französischen Protestanten –, die nach jahrzehntelanger Verfolgung durch das katholische Königshaus Frankreichs zu Tausenden in die Niederlande flüchteten, wo sie als Ausländer keinen leichten Stand hatten … manche Dinge ändern sich wohl nie.

Thomas gibt also ein umfassendes Bild jener aufregenden Zeit wieder und setzt dazu auch stilistisch alle Hebel in Bewegung. Die Sprache klingt theatralisch und etwas geschwollen, was sehr gut zu der Zeit passt, in der die Geschichte spielt. Mir persönlich fehlte nur ein bisschen Feuer in der Prosa, die mir auf Dauer doch etwas zu unaufgeregt war. Ein Stilmittel aber hat mir besonders gut gefallen: Einige der Kapitel werden eingeleitet wie Bildbeschreibungen holländischer Gemälde aus jener Zeit, Ihr wisst schon: Riesige, finstere Bilder von Rembrandt und Vermeer, voller schwarzer Flächen und grimmiger Figuren. Leider entschied sich die Autorin viel zu selten für solche Einleitungen. Die Idee ist so gut, die hätte vor jedes Kapitel gehört. Das ist vielleicht generell ein kleines Manko bei diesem ansonsten überzeugenden Roman, dass manche Dinge angerissen, aber nicht durchgezogen oder genügend vertieft werden. Ich hätte gern noch mehr über die Geschichte der Hugenotten erfahren, oder über die Vergangenheit des Gärtners Nicolaes. Hier und da hätte sich Thomas noch etwas mehr Zeit lassen können.

Doch sei’s drum: IN ZEITEN DES TULPENWAHNS ist ein guter historischer Roman, der einen erhellenden Blick in jene Epoche wagt, in der eine Blume mehr Wert war als ein Stück Gold.


IN ZEITEN DES TULPENWAHNS erschien im Ruhland Verlag, mit einem Klick aufs Coverbild kommt Ihr zur Verlagsseite. Ich danke der Autorin für das Rezensionsexemplar.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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