Petra Piuk | TONI & MONI oder ANLEITUNG ZUM HEIMATROMAN

A 2017 | 208 Seiten
Kremayr & Scheriau
ISBN: 978-3-218-01079-5

Das ist ein Heimatroman. Die Frau Schriftstellerin hat gesagt, dass ihr zweites Buch ein schöner Heimatroman wird. […] Wir sind schon sehr neugierig. (Seite 7)

In Schöngraben an der Rauscher ist die Welt noch in Ordnung. Die Landschaft ist malerisch und immer scheint die Sonne. Die strammen Landburschen lieben die hübschen Dorfmädchen. Die Männer sind im Wirtshaus und ihre Frauen hinterm Herd, wo sie auch hingehören. Die Schöngrabener lieben ihre Heimat, die schöne Musik, das gute Essen und den guten Wein, denn sie sind gute Menschen unter Gottes Segen.

In dieser österreichischen Idylle wachsen Toni und Moni auf. Sie sind füreinander bestimmt, denn die liebe Frau Schriftstellerin will es so. Doch – ach du Schreck! – da kommt der fesche Michael und schnappt dem Toni die Moni vor der Nase weg. Das glückliche Ende ist in Gefahr! Los, Toni! Du musst um die Moni kämpfen, sonst springen uns die Leser ab! Doch es kommt noch schlimmer: Die Moni, diese Nestbeschmutzerin, will ihre Heimat verlassen und in die große Stadt ziehen, wo doch jeder weiß, dass dort die Frauen in der U-Bahn von den Flüchtlingen vergewaltigt werden, und keinen interessiert’s! Das kann der Toni doch nicht zulassen! Frau Schriftstellerin, so tun Sie doch etwas…


Eines gleich vorweg: Ich habe bei einem Buch lange nicht mehr so viel und so laut lachen müssen, wie bei TONI UND MONI. Was Petra Piuk (*1975) hier zwischen die Buchdeckel hämmert, ist zum Brüllen komisch, so voller Sarkasmus und Provokation, so dermaßen anti … das ist literarischer Punk! Hier werden gekonnt alle Regeln der Heimatroman»kunst« aus den Angeln gehoben, Piuk gräbt sich durch die dicke Schicht aus Kitsch und Schnulz und gibt nach und nach den Blick frei auf den schmutzigen Boden darunter. Dort kommen ganz unverblümt Sexismus, Fremdenhass und häusliche Gewalt zum Vorschein.

Bei ihrer Sezierarbeit macht Piuk eine Metaebene nach der anderen auf: Sie streitet sich in zahlreichen Fußnoten mit ihrer Lektorin Tanja, ändert zähneknirschend die Geschichte des Dorfes, um sie erzürnten Leserbriefen anzupassen, lässt die Schöngrabener sich ihrer Fiktionalität bewusst werden und verliert sich dank einer Schreibblockade zusehends im Äther zwischen den Zeilen. Ein großer Spaß für Postmodernisten also.

Der Humor ist – je nach Thema, das gerade beackert wird – teils harmlos witzig, teils übel makaber, in jedem Falle aber entlarvend. Natürlich bedient sich Piuk auf beiden Seiten an Klischees, sowohl bei der Heimatidylle mit ihrem güldenen Schein, als auch bei der Subgesellschaft, die sie vorführen will. Aber die Message ist klar und deutlich, und ich kann mir vorstellen, dass TONI UND MONI in manchen Gegenden nicht gerade auf Wohlwollen stoßen würde. Mich hat der Roman ein bisschen an Reinhard P. Grubers AUS DEM LEBEN HÖDLMOSERS erinnert, wo ähnlich – wenn auch nicht ganz so heftig – auf etwaige Konventionen gepfiffen wird. Für mich hat Piuks Roman das Zeug zum Kultbuch. Ein deftiger Schlag in die Fressen der Schlager-mitschunkelnden Heile-Welt-Doppelmoralisten.

Mein Tipp: Wenn Ihr dieses Jahr nur ein Buch lesen dürftet, nehmt dieses.


piuk_tonimoniTONI & MONI ist beim Wiener Verlag Kremayr & Scheriau erschienen, dem ich herzlich für das Rezensionsexemplar danke. Alle weiteren Information findet Ihr auf der Verlagsseite. Mareike Fallwickl war ebenfalls ganz begeistert von dem Buch, hier geht es zu ihrer Besprechung auf bücherwurmloch.at. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

10 Gedanken zu “Petra Piuk | TONI & MONI oder ANLEITUNG ZUM HEIMATROMAN

  1. […] Nee Leute, das war nix. Irgendwo habe ich gelesen, dass Vea Kaiser mit John Irving verglichen wurde – das grenzt an Majestätsbeleidigung! Wenn Ihr einen wirklich guten Familienroman lesen wollt – inklusive Wien und Bären –, dann lest DAS HOTEL NEW HAMPSHIRE. Und wenn Ihr Österreich ohne rosarote Brille erlesen wollt, greift zu TONI UND MONI. […]

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