PL 2014 | 496 Seiten
OT: »Ślepnąc od świateł«
Aus dem Polnischen von Paulina Schulz-Gruner
Katapult-Verlag
ISBN: 978-3-948923-44-0
Warschau am 19. Dezember. Im Radio kündigen sie Frost an. Bis minus zehn Grad. Bisher stimmen die Prognosen.
(Seite 19)
Warschau muss ’ne krasse Stadt sein. Eine schillernde Millionenmetropole mitten im polnischen Tiefland mit einer Altstadt, die an alte Märchen erinnert, und einer Skyline wie das Bankenviertel Londons. Aus rein touristischer Sicht steht diese Stadt definitiv noch auf meiner cities-to-watch-Liste. Allerdings hat Warschau – wie jede andere Großstadt auch – eine hohe Kriminalitätsrate und ein gravierendes Drogenproblem. Zumindest bekommt man schnell diesen Eindruck, wenn man Jakub Żulczyks Thriller GEBLENDET VON DER NACHT liest.
Jakub – Hauptfigur und Ich-Erzähler des Buches – ist in den höheren Kreisen Warschaus ein viel beschäftigter Mann. Zu seinem Geschäftskreis zählen Politiker, Fernsehstars und jede Menge reiche Unternehmer und Anwälte. Das Geschäft: Jakub versorgt diese zahlungskräftige Upper Class mit Kokain. Des Nachts fährt er mit seinem Koks-Taxi durch Warschau und beliefert jeden, der seine Dienste in Anspruch nimmt. Über die Jahre hat er sich einen Namen gemacht, konnte ein ordentliches Finanzpolster anhäufen und hat einen umfangreichen Plan an Vorsichtsmaßnahmen erstellt, den er eisern befolgt, um nicht aufzufliegen. Doch als einer seiner Kunden im Vollrausch einen Unfall mit Todesfolge verursacht, fällt sein Name der Polizei in die Hände, was auch seine mafiösen Bekanntschaften, von denen er den Stoff bezieht, nervös werden lässt. Innerhalb kürzester Zeit weiß Jakub nicht mehr, wem er noch trauen kann und wer ihn plötzlich alles über die Weichsel schicken will.
Ich bin wahrlich kein großer Thriller-Freund. Für einen Plot, der nur von atemloser Spannung lebt, gehe ich lieber zwei Stunden ins Kino und binde mir nicht eine tagelange Lektüre ans Bein. Warum ich bei Żulczyk dennoch interessiert zugesagt habe, liegt am Setting: Endlich mal ein Thriller, der nicht in New York, Paris oder der schwedischen Einöde spielt, sondern im nahezu exotisch anmutenden Warschau. Hervorzuheben ist ist hier, dass der Autor seiner Stadt gehörig viel Platz zur Entfaltung gibt. Neben dem durchaus spannenden und hakenreichen Plot gibt es über Warschau und die Menschen, die dort leben, tatsächlich einiges zu erfahren – jedenfalls was die Schattenseiten angeht.
Natürlich übertreibt Żulczyk bei manchen Szenen sichtbar und bedient sich jeder Menge Klischees. Das halte ich bei diesem Genre aber für grundlegend – will man eine beängstigend kalte Atmosphäre mit erbarmungslosen Figuren schaffen, ist permanente Realitätsnähe wenig hilfreich. Der Autor richtet den Fokus auf die Kriminalität, all die Machenschaften und das freudlose, egomanische Nachtleben der Metropole. Ich denke, es mag diese dunkle Warschauer Unterwelt sicher auf die eine oder andere Art geben, dennoch wird die Stadt hier deutlich finsterer dargestellt, als sie vermutlich ist.
Dennoch habe ich GEBLENDET VON DER NACHT sehr gern gelesen und bin mir sicher, dass dieses Buch auch eingefleischten Thriller-Fans gefallen wird.
GEBLENDET VON DER NACHT erschien in der Übersetzung von Paulina Schulz-Gruner im Katapult-Verlag, dem ich herzlich für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick aufs Coverbild kommt ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet.
Eine kleine Bitte noch: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.
Warschau ist eine ganz besondere Stadt. So reich, so arm, direkt neben einander. Eine faszinierende Altstadt. Ein Besuch lohnt sich!
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Steht auf der Liste… 👍
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