Nora Burgard-Arp | WIR DOCH NICHT

D 2022 | 224 Seiten
Katapult Verlag
ISBN: 978-3-948923-38-9

Sie sitzt seitlich auf dem Badewannenrand und drückt ihren Daumen fest gegen den kühlen Haken des schwarzen Kleiderbügels, den sie in den Händen hält.

(Seite 10)

Review-Challange! Schreibe eine Rezension zu Nora Burgard-Arps Roman WIR DOCH NICHT, ohne die folgenden Begriffe zu verwenden:

  • Dystopie
  • AfD
  • Diktatur
  • Abtreibung
  • Kleiderbügel

Hmm, schwierig…

Mathilda ist Ende dreißig und lebt mit ihrem Mann Finn in Hamburg. Das Paar ist kinderlos – ein Thema, an dem sich die beiden mehr und mehr aufreiben, denn Finn möchte dringend Vater sein, Mathilda dagegen wehrt sich der Vorstellung, ein Kind in die Welt zu setzen. Diese Abneigung der Mutterschaft gegenüber ist aber keine rein persönliche Entscheidung, sondern liegt viel eher in Mathildas Dissidenz zur herrschenden Politik begründet. Seit einiger Zeit ist nämlich die SfDD (Sieg für Deutschland und die Deutschen) an der Macht, eine faschistische Partei, die per Gesetz erzkonservative Werte zurück in die Familien gebracht hat. Der Mann verdient die Kohle, die Frau bringt die Kinder zur Welt und kümmert sich um Erziehung und Haushalt. Jegliche Art von weiblicher Selbstbestimmung ist de jure untersagt. Unter diesen unwürdigen Bedingungen will Mathilda keine Kinder bekommen. Doch trotz aller Vorsicht wird sie schwanger. Da ihr in dieser Situation niemnd helfen kann, legt sie selbst Hand an – ein Eingriff mit fatalen Folgen.


WIR DOCH NICHT ist eine beklemmende Zukunftsvision, deren Verwirklichung in den letzten Jahren erschreckend nahe gerückt ist. Die Ähnlichkeit der fiktiven SfDD zu aktuell existierenden Parteien ist beabsichtigt und das Gedankengut, das im Roman zum Gesetz wird, ist nicht unbedingt extremer als in unserer Wirklichkeit. Im Gegenteil, Familien außerhalb des klassischen Vater-Mutter-Kind-Modells sind in vielen Ländern noch untersagt, ebenso wie der bewusst herbeigeführte Abbruch einer Schwangerschaft. Selbst die sexuelle Orientierung abseits der Heteronormativität steht nicht selten unter Strafe. All die unwürdigen politischen Grundlagen in Burgard-Arps Roman sind in anderen Ländern bittere Realität, das macht WIR DOCH NICHT zu einer intensiven Lektüre.

Einen Abstrich muss ich aber machen: Geschichten, in denen die aktuelle gesellschaftliche oder politische Lage zugespitzt weiterentwickelt und in den negativen Extremfall gewandelt wird, leben in erster Linie von ihrer Message; die literarische Finesse bleibt dabei nicht selten auf der Strecke. Das ist leider auch bei WIR DOCH NICHT der Fall. Die Autorin spielt viel mit Rückblenden und baut ihren Roman auch gekonnt auf, ihre Figuren jedoch bleiben oft eindimensional. Mir fehlten auch ein paar Erklärungen, wie es beispielsweise zu einem so krassen Systemumbruch kommen konnte, in einem Land mit grundgesetzlichen Vorkehrungen, die genau so etwas verhindern sollen. Hier hätte sich Burgard-Arp gern etwas mehr Zeit nehmen können. Aber wie gesagt: Der Inhalt ist bei Dys… Antiutopien (Puh, Glück gehabt!) wichtiger als die Form. Ergo: Leseempfehlung!


WIR DOCH NICHT erschien im Katapult Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Illustriert ist der Roman mit Bildern von Iris Ott. Mit einem Klick aufs Coverbild gelangt Ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autorin, sowie eine Leseprobe findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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