Helwig Brunner | FLIRREN

A 2024 | 208 Seiten | 24 Euro
Droschl Verlag
ISBN: 978-3-99059-149-9

Würden Sie mich bitte in Ruhe lassen.

(Seite 7)

Viele Climate-Fiction-Romane erzählen davon, wie die Menschheit mit den Folgen des Klimawandels leben muss. Helwig Brunner geht in seinem Buch FLIRREN noch einen Schritt weiter, denn leben kann man in der Welt, wie er sie beschreibt, schon lange nicht mehr.

Leonard, einer der letzten Menschen auf Erden, wohnt in einem Humanareal, einer Art Bunker, abgeschottet von der todbringenden Außenwelt. Durch Hitzeschutzfenster schaut er auf die verbrannte Gegend, die seit Jahren schon komplett vegetationslos vor sich hin dörrt. Betrieben und klimatisiert wird das Areal durch die quasi endlos verfügbare Sonnenenergie. Man kann also noch atmen, ohne dass die Lungen schmelzen, ansonsten gibt es aber kaum noch etwas zu erreichen. Wir schreiben das 25. Jahrhundert, es ist das letzte verzweifelte Festhalten am Leben, die finale Geneneration der Menschheit, danach ist Feierabend.

Um den Untergang vielleicht noch abzuwenden, oder wenigsten erklärbar zu machen, durchforscht Leonard mit einer Gruppe Wissenschaftlern intensiv die Geschichte seiner Spezies. Dazu wurde ihm das komplette Online-Archiv ins Hirn geladen; alle Daten, die je im Netz standen – Nachrichten, Wetterberichte, Börsenkurse, private E-Mails, Spotify-Playlists, … –, stehen ihm zur Verfügung. Seine Aufgabe ist es seit Jahren, irgendeine Information zu finden, die im Lauf der Geschichte vielleicht übersehen oder falsch interpretiert wurde und eine jetztige Rettung darstellen könnte. Doch so lange er auch sucht, er wird nicht fündig. Ganz im Gegenteil, das ewige Durchforsten bestärkt ihn nur noch in seiner Grundhaltung: Der Mensch war seit jeher dumm, blind und gierig; sein Untergang geschieht ihm ganz recht. Es ist wohl besser, zu den zarten Klängen einer Schubert-Sonatine auf das Ende zu warten…


Es ist wahrlich eine äußerst düstere Zukunftsvision, die Helwig Brunner hier vorlegt. Der Autor ist promovierter Biologe und Geschäftsführer eines Instituts, das sich mit ökologisch-naturschutzfachlicher Grundlagenforschung beschäftigt – das Wissen, das er in seinen Roman einfließen lässt, kommt also nicht aus einem Zauberhut, sondern fußt auf neuesten Erkenntnissen. Dass die Hoffnung – dieser letzte aller Strohhalme, nach dem wir kurz vor dem Ende noch greifen können – also sehr klein und schwach ist, wird sehr wahrscheinlich unsere Zukunft bestimmen.

Die Erzählstimme aus der Ich-Perspektive Leonards ist auffallend hochtrabend, fast schon elitär, was mich beim Lesen zunächst gestört hat. Nach der Information, dass Leonard das gesamte Online-Wissen in sich trägt, ergab das aber wieder Sinn. Auch die hohe Anzahl an Kapiteln – fünfzig auf zweihundert Seiten – passt zum Allwissenden, der in hoher Frequenz durch die Historie donnert.

FLIRREN ist ein pessimistischer Roman mit einer finsteren Grundstimmung, die Brunner gekonnt zu Papier bringt, aber nicht gerade für einen unbeschwerten Lesenachmittag gemacht ist. Zu sehr vermittelt die Geschichte, dass wir dem Untergang geweiht sind. Das mag stimmen, denn nichts ist für die Ewigkeit, aber bis dahin haben wir noch ein paar gute Jahrhunderte, in denen wir hoffentlich die richtigen Entscheidungen treffen werden.


FLIRREN erschien im Droschl Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick auf das Coverbild gelangt Ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet.

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