USA 2015 | 318 Seiten
OT: »Mislaid«
Aus dem Englischen von Michael Kellner
Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3-498-07672-6
Das Stillwater College befand sich an der Fall Line südlich von Petersburg. (Seite 9)
Oft gibt es Bücher, die großartig beginnen und dann zum Ende hin immer lahmer werden, ihren drive verlieren. Manchmal gibt es auch Bücher, bei denen das genau andersherum ist, die zu Anfang nicht so recht in die Gänge kommen und sich dann immer mehr steigern. VIRGINIA, der zweite Roman von Wahl-Brandenburgerin Nell Zink (*1964 in Kalifornien) gehört allerdings zu einer dritten, sehr viel selteneren Gruppe: Lahmer Anfang, starker Mittelteil, schwaches Ende.
Dabei gibt die Story von Beginn an sehr viel her: Ein Mädchen-College im konservativen Virginia der 1960er Jahre, in dem der Literatur-Professor Lee eine Liebschaft mit seiner Studentin Peggy anfängt und sie schließlich heiratet. Der Clou: Er ist schwul, sie lesbisch. Eigentlich ist die Ehe zum Scheitern verurteilt, dennoch entspringen ihr vor dem großen Krach zwei Kinder, Sohn Byrdie und Tochter Mickey. Als Peggy sich vom notorischen Fremdgänger Lee trennen will, flieht sie mit Mickey ins Hinterland, bezieht ein zerfallenes Haus in der Wildnis und verschafft sich und ihrer Tochter neue Identitäten – durch Zufall die von kürzlich verstorbenen Schwarzen. Und während Lee im ganzen Staat nach ihr sucht, lernt Peggy eine Welt jenseits des Wohlstandes kennen.
Wie schon angedeutet, brauchte ich lange, um in die Geschichte zu kommen. In den Anfangskapiteln legt Nell Zink einen recht biederen, klassischen Schreibstil an den Tag, der zwar sehr gut zur beschriebenen Zeit und zum elitären Personal passt, bei mir aber nicht so recht zünden wollte. Dann, nachdem Peggy und Mickey ihre Identitäten ändern, wird auch Zinks Sprache freier und moderner. Die Story zieht sich in der Folge über einen langen Zeitraum bis in die Achtzigerjahre, und verwickelt sich immer mehr bis zu dem Punkt, an dem sich Bruder und Schwester auf einer wilden Studentenparty kennenlernen und Gefahr laufen, sich ineinander zu verlieben.
Bis hier hin war ich trotz des schwierigen Beginns sehr angetan. Jeder einzelne Satz war ein kleines Kunstwerk voller Humor und Tiefsinn. Doch dann … ich möchte jetzt wirklich nicht zu viel verraten, aber wie sich dann alles auflöst, ist ein wahres Feuerwerk an zuckersüßem Kitsch und guter Laune, dass es einem zum Halse hochkommt. Okay, VIRGINIA ist eindeutig eine Komödie und Nell Zink eine trickreiche Schriftstellerin – wahrscheinlich bezweckt sie damit etwas und ich hab’s nur nicht mitbekommen –, aber dennoch: Dieses furchtbare Happy End tut dem Buch nicht gut! Lahmer Anfang, starker Mittelteil, schwaches Ende – wahrlich selten…
VIRGINIA erschien beim Rowohlt-Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Alle Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet Ihr hier. Bei literaturleuchtet gibt’s eine weitere Meinung zum Buch.
Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.
Ja, der Schluß ist schon wirklich kitschig …
Viele Grüße!
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Also anfangs öde und tranig, mittig gut und ein kitschiges Happy ending, klingt interessant, aber nicht wirklich verlockend 😉 Gut hier vorbeigeschaut zu haben, denn das Cover ist wirklich erstklassig und hätte mich stark gelockt.
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Schade, dass manche Bücher so durchwachsen sind. Die Story hört sich echt interessant an und wäre wirklich was für mich! Das Buch wandert jetzt trotzdem mal auf meine Wunschliste. Danke für die tolle Rezi! 🙂
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