Isabel Fargo Cole | DAS GIFT DER BIENE

D 2019 | 224 Seiten
Edition Nautilus
ISBN: 978-3-96054-196-7

›So grausam starb die Künstlerin‹ – so schadenfroh war die Schlagzeile. (Seite 7)

Christina, eine junge Amerikanerin, zieht es kurz nach dem Mauerfall nach Ostberlin, wo sie für ihre Promotion recherchieren will. Sie kommt in einem besetzten Haus im Prenzlauer Berg unter, in dem Studenten ein- und ausgehen, und freundet sich mit Meta an, die in dem Haus einen Salon führt. Dort trifft sich nachts die Prenzelberger Jugend und philosophiert über ihre Stadt im Wandel, das untergegangene Land und was die Zukunft wohl bringen wird.

Diese freie, leicht anarchische Atmosphäre ändert sich, als die introvertierte Künstlerin Vera Grünberg ins Haus einzieht, denn es geht eine seltsam irritierende Kraft von ihr aus, die die Gemeinschaft auseinandertreibt. Es kursiert das Gerücht, Vera sei die Besitzerin des Hauses, denn vor dem Krieg habe es ihrem Vorfahren, dem Wunderrabbi Grynberg, gehört, der hier sein magisches Unwesen getrieben habe. Christina und Meta machen sich auf Spurensuche und entdecken – eher zufällig – geisterhafte Spiegelbilder auf dem Wasser der Hausleitungen…


Als vor ein paar Wochen die Teilnehmer der diesjährigen LiteraTour Nord bekannt gegeben wurden – einer Veranstaltung, die ich seit Jahren mit großem Interesse verfolge –, freute ich mich über einen Namen ganz besonders: Isabel Fargo Cole – und nicht nur, weil er so schön klingt. Vor zwei Jahren trat Cole mit ihrem Debütroman DIE GRÜNE GRENZE in Erscheinung, mit dem sie – spätestens mit der Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse – einen kleinen Überraschungserfolg feiern konnte.

In DAS GIFT DER BIENE zeigt sich Isabel Fargo Cole (*1973 in Illinois, USA) als große Expertin in Sachen deutsch-deutscher Geschichte, insbesondere der Wendezeit. Ein Blick in ihre Vita verrät, dass sie selbst mit Anfang Zwanzig in Berlin lebte, man darf also annehmen, dass die Ich-Erzählerin Christina viel mit der Autorin gemein hat. Es ist deutlich zu spüren, dass Cole sich etwas von der Seele schreiben, ihre Erinnerungen aus der Nachwendezeit in eine Geschichte einbetten wollte. Ganz besonders merkt man das an den Figuren, die – mit all ihren Schrullen – liebevoll und mit viel Herz gezeichnet sind.

Die eigentliche Story hat es bei Coles Schreibstil da schon schwerer: Sehr flatterhaft springt sie von einer Situation zur nächsten; kurz bevor man sich in einer Szene zurechtgefunden hat, geht es auch schon an anderer Stelle weiter. Den Schlüsselereignissen der Geschichte ist zwar mehr Raum und Zeit vergönnt, doch dadurch entsteht hier und da ein leichtes Stolpern im Lesefluss. Hinzu kommt erschwerend, dass sich Cole besonders ab der zweiten Hälfte des Buches einer üppigen Metaphorik bedient, die große Teile der späteren Handlung kryptisch erscheinen lässt. Die politisch-philosophische Nüchternheit der ersten Kapitel weicht zunehmend einem magischen Realismus, was bestimmt nicht jedermanns Sache ist. Dennoch führt sie ihre Leser mit sicherer Hand durch das dichte Geäst ihrer Geschichte, sodass am traurigen Ende – das mit dem ersten Satz schon vorweg genommen wird – doch noch ein wohliges Gefühl entsteht.

Nun habe ich beim Lesen gemerkt, dass es in DAS GIFT DER BIENE einige Verknüpfungspunkte zum Vorgänger gibt, den ich – wie ich gestehen muss – leider nicht gelesen habe. Und wie immer in solchen Situationen lautet die Frage: Macht das was? Nö, macht nichts. Auch wenn es den Anschein hat, dass es sich hier um eine Art Fortsetzung oder Nachgeschichte handelt, kann der Roman auch ohne DIE GRÜNE GRENZE bestehen. Fazit: Lesenswert und ein sehr interessanter Kandidat für den Preis der LiteraTour Nord.


biene_vorschNEU.inddDAS GIFT DER BIENE erschien in der Edition Nautilus, der ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Alle Informationen über Buch und Autorin, sowie eine Leseprobe findet Ihr hier. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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