Brian K. Vaughan & Cliff Chiang | PAPER GIRLS

USA 2015-19 | je 144 Seiten
Cross Cult
ISBN: (#1) 978-3-95981-140-8 | (#2) 978-3-95981-410-2 | (#3) 978-3-95981-561-1
(#4) 978-3-95981-767-7 | (#5) 978-3-95981-826-1 | (#6) 978-3-95981-357-0

»Ist das…?« – »Ja, Erin. Willkommen im Himmel!«

Es ist der 1. November 1988, der Morgen nach Halloween. In Cleveland, Ohio, macht sich die 12-Jährige Erin mit ihrem Fahrrad auf den Weg, die Zeitung in ihrem Viertel auszutragen; der erste Tag in ihrem neuen Ferienjob. Als sie von kostümierten Jungs bedrängt wird, die, noch im Halloween-Rausch, auf Ärger aus sind, erhält sie Unterstützung von Mac, KJ und Tiffany – den Paper Girls, mit denen sie sich anfreundet. Doch die morgendliche Aufregung ist nur der Beginn eines viel größeren Abenteuers, denn kurz darauf gibt es einen Stromausfall, alle Menschen verschwinden spurlos und fremdartige Gestalten stürmen auf ihren Flugsauriern die Stadt. Als die Mädchen auf ihrer Flucht eine futuristische Maschine finden, beginnt eine surreale Achterbahnfahrt, die die Paper Girls kreuz und quer – von der Prähistorie bis ans Ende aller Tage – durch die Zeit schickt.

Wir wir ja alle von ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT wissen, darf bei einer Reise in die Vergangenheit dort nichts verändert werden, weil es enorme Auswirkungen auf die Zukunft haben kann. Aber sag das mal einer Gruppe junger Mädchen, die eben noch Zeitungen ausgetragen haben und sich plötzlich im Holozän wiederfinden. Jede der vier trifft im Laufe der Reise auch noch auf verschiedene Versionen ihres Ichs, was die Sache nicht gerade einfacher macht. Und dann ist da noch dieser übermächtige Medienkonzern mit dem angebissen Apfel im Logo, der die Zeitreisen eigentlich geheimhalten wollte, und jetzt dafür sorgen muss, dass die Paper Girls aus der Weltgeschichte verschwinden.

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Bereits in der abgefahrenen space opera SAGA bewies Brian K. Vaughan ein unglaubliches Gespür für hochkomplexe SciFi-Märchen. Doch trotz des wirren und unendlich viele Haken schlagenden Plots hat man als Leser selten das Gefühl, dass einem die Handlung aus den Fingern rutscht. Sicherlich muss man hier und da manche Behauptungen einfach so hinnehmen, sonst tappt man von einem Logikloch ins nächste, aber das bringt das Genre eben so mit sich und bereitet dem Spaß kein Ende. Ganz im Gegenteil: Vaughan geizt nicht an Selbstironie und immer wenn etwas völlig Ungeheuerliches passiert, packt er in der nächsten Szene noch einen obendrauf – man spürt förmlich das Augenzwinkern. Dass sich der Autor nicht so ernst nimmt, mochte ich schon bei SAGA. Unzählige Anspielungen quer durch die Popkultur und sarkastische Dialoge lockern die wilde Story dabei ungemein auf.

Erstaunlich fand ich das Ende, das jedes Paper Girl – ohne jetzt zuviel zu verraten – mit ihren Urängsten konfrontiert. Das kam nach all den quietschbunten Seiten voller Zeitreise-Twists doch recht unerwartet, verleiht der Reihe aber enorm Tiefe und wertet sie noch einmal auf. Auch visuell sind diese Szenen innovativ und beeindruckend umgesetzt.

Die Zeichnungen aus der Feder von Cliff Chiang sind in angenehmen Farbtönen gehalten. Violett und Petrol sind die zunächst vorherrschenden Töne, bevor die Reise in schrilleren Farben so richtig losgeht. Die Figuren sind kantig gezeichnet, ohne auf Details zu verzichten. Streckenweise sind die Bilder sehr brutal; für unter 16-Jährige halte ich das für zu heftig, aber es ist ja auch kein Kinderbuch. PAPER GIRLS wird derzeit als TV-Serie adaptiert, da bin ich mal auf die Altersfreigabe gespannt.

paper-girls-time-travelers-language-key-updated-for-5Das wirklich einzige Manko – eine Kleinigkeit, die mich aber immer wieder an den Rand meiner Geduld gebracht hat – ist die fremde Sprache, die die Eindringlinge sprechen und im Comic in kryptischen Schriftzeichen dargestellt wird. Zuerst dachte ich, das seien einfach irgendwelche Hieroglyphen, die ausdrücken sollen, dass die Sprache eben nicht zu verstehen ist. Doch im Netz fand ich einen Schlüssel zum Übertragen der Symbole – leider, denn ab jetzt musste natürlich jedes Wort übersetzt werden; eine richtige PaperGirlsScheiss-Aufgabe, die im Nachhinein tatsächlich nicht unbedingt nötig war. Es stellte sich übrigens heraus, dass die fremden Wörter in den Comics nicht übersetzt wurden, sondern englische Sätze bilden. Ob das die Absicht des Verlages war oder ein Versäumnis, habe ich nicht nachgefragt. Wer des Englischen einigermaßen mächtig ist, sollte auch ohne Wörterbuch durchkommen.

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Schlussendlich lässt sich sagen, PAPER GIRLS ist ein gelungener Mix aus bunter Science Fiction und Zeitreiseabenteuer mit aller dazugehöriger Wirrnis, gekleidet im zurzeit sehr beliebten Eighties-Retro-Look. Wer ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT und STRANGER THINGS mochte, wird PAPER GIRLS lieben.


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PAPER GIRLS erschien in gewohnt hochwertiger Qualität beim Cross Cult Verlag, dem ich herzlichst für die Rezensionsexemplare danke. Alle Informationen über die Bücher und den Autor, sowie Leseproben zu jedem Band findet Ihr mit einem (Non!-Affiliate-)Klick auf die Cover. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

2 Gedanken zu “Brian K. Vaughan & Cliff Chiang | PAPER GIRLS

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