Heinz Helle | EIGENTLICH MÜSSTEN WIR TANZEN

CH 2015 | 173 Seiten
Suhrkamp Verlag
ISBN: 978-3-518-42493-3

Wenn es zu kalt ist zum Hinlegen, abends, bleiben wir stehen. Wir stehen eng beieinander, Rücken an Rücken an Seite an Bauch. Wir drehen uns langsam weiter im Verlauf der Nacht, jeder darf einmal in der Mitte stehen, jeder muss ab und zu an den Rand. (Seite 9)

INHALT: Fünf junge Männer verbringen ihren Urlaub in einer Skihütte in den Alpen. Als sie ins Tal zurückkehren, gibt es dort kein Leben mehr. Die Läden sind geplündert, ausgebrannte Autowracks, die Bevölkerung tot. Das ganze Land scheint einer Apokalypse zum Opfer gefallen zu sein, nur die fünf sind noch da. Sie streifen seit Wochen von Ort zu Ort, auf der Suche nach Nahrung, nach Antworten, nach Sinn.

FORM: Heinz Helle (*1978) fordert seinen Lesern stellenweise ganz schön was ab. Die Grundatmosphäre seines kurzen Romans ist eine bedrohliche Stille, die mich an Cormac McCarthys DIE STRASSE erinnerte. Im Unterschied zu McCarthy aber dreht Helle zwischendrin ordentlich am Lautstärkeregler. Manche Szenen sind so brutal und kaltblütig, dass ich echt geschockt war (ein Gefühl, dass ich nicht oft habe und auch nicht sonderlich mag).

Es geht Helle aber nicht allein um die Gewalt, das Buch ist schließlich kein Splatterroman. Helle gelingt es, in diese trostlosen und brutalen Szenen soviel Poesie zu stecken, dass man fast eine Art Schönheit darin erkennen mag. Und auch die Charaktere haben eine gute Tiefe, wenn man bedenkt, dass Helle sich gerade mal 173 Seiten Zeit lässt, um sie zu entwickeln. Ein paar perfekt gezielte Striche reichen aus, um den Figuren Leben einzuhauchen … welches Helle ihnen nach und nach wieder nimmt.

Wir sind ein über mehrere Körper verteilter Wille geworden, und neben dem Teil dieses Willens, den jeder von uns in sich trägt, ist kein Raum mehr für etwas anderes.
Wir wollen leben. (Seite 116)

FAZIT: Für meinen Geschmack an manchen Stellen zu brutal, ansonsten sehr gut, weil poetisch und interessant geschrieben. Ein Autor, den ich im Auge behalten werde. Vier Sterne.

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