Sarah Kuttner | KURT

D 2019 | 240 Seiten
S. Fischer
ISBN: 978-3-10-397424-9

Kurt hat winzige Augen. (Seite 11)

Vorab: Obwohl ich seit ihrem ersten Roman MÄNGELEXEMPLAR alle Veröffentlichung bei mir im Regal stehen habe, ist KURT mein erstes Buch von Sarah Kuttner, das ich wirklich lese – und ich habe keine Ahnung, warum das so ist. Ich mag Kuttner sehr – ihre Art, ihre Ansichten, ihre Shows –, aber irgendwie kam es nie zur Lektüre ihrer Romane. Manchmal stehen Bücher so lange rum, bis das Interesse an ihnen verloren ist. Das wollte ich mit KURT ändern – zwölf Stunden Busfahrt Rostock-Leipzig-Rostock kamen mir da gerade recht.

Kuttner erzählt die Geschichte von Lena und ihren beiden Kurts. Der eine ist der große Kurt, ihr Freund und Lebensgefährte, der andere der kleine Kurt, sein Sohn, der im wöchentlichen Wechsel bei ihnen und seiner Mutter Jana wohnt. Sie sind extra für den kleinen Kurt aus Berlin ins beschauliche Oranienburg gezogen, damit die Wege kürzer sind, haben sich dort ein Haus gekauft und mühen sich als waschechte Großstädter mit Renovierungs- und Gartenarbeiten ab. Lena hat einen guten Draht zum kleinen Kurt, der sie als Quasi-Mutterersatz ins Herz geschlossen hat und auch sonst geht alles recht ordentlich seinen Gang – bis der kleine Kurt eines Tages vom Klettergerüst fällt und sich das Genick bricht.

Die Situation ist zum Himmel schreiend unfair: Es gab keinerlei Anzeichen, keine Krankheit, keine Risiken, nichts, womit man sich auf diesen Schlag hätte vorbereiten können. Den kleinen Kurt hat es einfach so erwischt. Wie geht es jetzt weiter? Denn weitergehen muss es ja irgendwie. Jeder geht anders mit dem Schmerz und der Trauer um, und während der große Kurt die Sache mit sich selbst aushandelt, fühlt Lena, wie er sich immer weiter von ihr entfernt. Sie möchte Kurt in seiner Trauer begleiten, möchte zu ihm durchdringen. Sie läuft Gefahr, auch noch den zweiten Kurt in ihrem Leben zu verlieren, und ihre Kräfte sind begrenzt.


Sarah Kuttner (*1979) hat mit KURT ein wirklich berührendes Buch geschrieben, das angenehm weit entfernt von kitschiger Tränendrüsendrückerei liegt und sich mit einer gesunden Ernsthaftigkeit mit Themen wie Verlust und Trauer beschäftigt. Es geht ihr nicht darum, sich in endlosen Erinnerungen an einen geliebten Menschen ewig im Schmerz zu winden. Man muss ja auch noch funktionieren: Man arbeitet, kauft ein, isst, trinkt, das Haus und der Garten warten. Man kann ja nicht einfach alles fallenlassen. Darum geht es Kuttner in erster Linie, und wie man zu alledem auch noch trauern kann, ohne sich zu verlieren.

Ich muss aber zugeben, dass ich nur schwer in das Buch fand. Der erste der drei Teile, der ungefähr die Hälfte des Buches einnimmt, beschäftigt sich mit dem Zusammenleben Lenas mit dem kleinen Kurt. Die Anekdoten, die hier nacheinander abgespult werden, waren mir zu putzig und gewollt auf Lacher aus. Sicherlich nur, damit der kleine Kurt später auch ordentlich von uns Lesern vermisst wird. So eine Rechnung, geht natürlich immer auf – auch bei mir –, den Lösungsweg aber so offensichtlich darzulegen, war mir ein bisschen zu billig. Erst ab der zweiten Hälfte wurde ich mit Kuttners Roman so richtig warm. Hier findet sie die richtigen Worte und beschreibt Trauer ohne rührselig zu werden, ohne in den üblichen Herzschmerzkitsch abzurutschen.

Ob ich Kuttners andere Romane irgendwann nochmal nachhole, weiß ich nicht. Vielleicht, wenn ich mal ganz viel Zeit und Muße habe. Vorerst bin ich zufrieden, überhaupt endlich mal ein Buch von ihr gelesen zu haben. Und dass es mir am Ende sogar gefallen hat, finde ich noch viel besser.


u1_978-3-10-397424-9KURT ist beim Fischer Verlag erschienen, dem ich für das Rezensionsexemplar herzlichst danke. Alle weiteren Informationen über Buch und Autor sowie eine Leseprobe findet Ihr auf der Verlagsseite. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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