Tanja Raich | SCHWERER ALS DAS LICHT

A 2022 | 192 Seiten
Blessing Verlag
ISBN: 978-3-89667-735-8

Am Anfang war das Meer.

(Seite 7)

Eine Karriere, die ich seit einigen Jahren begeistert verfolge, ist die der österreichischen Alleskönnerin Tanja Raich. Sie ist nicht nur Schriftstellerin, Herausgeberin und Programmleiterin und Layout-Expertin bei renommierten Verlagen, sondern auch noch Romanfigur – wie cool ist das denn bitte? Nun hat sie mit SCHWERER ALS DAS LICHT ihren zweiten Roman vorgelegt, der mich nach der Lektüre so sprachlos zurückließ, dass ich ihn gleich ein zweites Mal lesen musste – erst jetzt bin ich bereit für eine Rezension.

Raich führt uns auf eine tropische Insel, von exotischen Tieren bevölkert und farbenfrohen Pflanzen bewachsen. Auf der Insel lebt auch eine Frau. Sie ist allein und pflegte bisher eine harmonische Symbiose mit der Natur. Doch irgendwann begannen die Pflanzen zu sterben, alles welkte, verdorrte, wurde faulig und morsch. Nun werden die Tiere immer aggressiver und es beginnt ein Kampf um die letzten Ressourcen, bevor alles in schimmelndem Schwarz ein Ende findet. Bedrohlich ist auch das kriegerische Volk im Norden, das in wilden Trommeltänzen immer weiter in den Süden vorrückt. In ständiger Angst vor Übergriffen baut die Frau ihre Hütte zu einer Festung aus, verschanzt sich hinter einer ganzen Reihe von Fallen und Hindernissen. Doch der Augenblick, in dem sie sich der Konkurrenz stellen muss, wird kommen – wenn sie nicht verhungern will, gibt es vor der Konfrontation kein Entrinnen.


Müsste ich SCHWERER ALS DAS LICHT mit einem Wort beschreiben, fiele meine Wahl auf: beklemmend. Die Atmosphäre, die Raich von der ersten Seite an aufbaut, ist dermaßen düster und beängstigend, dass es mir mit jedem Kapitel weiter die Kehle zuschnürte. Verstärkt wird dieses Gefühl durch den schnörkellosen Schreibstil: Figuren bleiben namenlos, beschrieben wird nur das Nötigste; kein Wort ist zu viel, kein Satz zu lang, nur bei den Naturbeschreibungen erlaubt sich Raich, etwas weiter über die Ufer zu treten. Dennoch ist die Prosa nicht ohne Reiz, ganz im Gegenteil. Mit ihrer präzisen, immer den Kern ihrer Aussage treffenden Sprache gelingt der Autorin eine Art dunkle Poesie, ein Text, so schwarz glänzend wie Vulkanglas.

Was den Roman ebenfalls bemerkenswert macht, ist die Fülle an Interpretationsmöglichkeiten. Oberflächlich gesehen, kann das Buch schnell als Parabel auf den Klimawandel abgehakt werden, ein Kammerspiel, das den ewigen Kampf Mensch-vs.-Natur widerspiegelt. Doch bei einem tieferen Blick tun sich noch viel mehr Ebenen auf. Möglich wäre auch, dass es sich um das Psychogramm einer Phobikerin handelt, die Angst vor der Außenwelt hat – die Insel als Inbegriff diffuser Bedrohung, die Festung des eigenen Ichs als einzige Zuflucht. Oder beschreibt das Sterben aller Schönheit den Weg in eine Depression? Dieser Reigen mit den Bedeutungen lässt sich bei SCHWERER ALS DAS LICHT endlos tanzen und die Autorin liefert die passende Musik dazu. Die Fragen, die sie dabei stellt, sind sind so klar wie fundamental. Was ist Angst? Was ist Verlust? Was ist Trauer? Warum ist Leben gleich Kämpfen?

Tanja Raich hat ein weiteres Mal gezeigt, dass sie zu den großen Stimmen ihrer Generation gehört. Ich erkläre SCHWERER ALS DAS LICHT hiermit zu einem großen Highlight des frisch angebrochenen Literaturherbstes.


SCHWERER ALS DAS LICHT erschien im Blessing Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick aufs Coverbild kommt ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autorin, sowie eine Leseprobe findet.

Eine kleine Bitte noch: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

4 Gedanken zu “Tanja Raich | SCHWERER ALS DAS LICHT

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