Bernhard Kegel | GRAS

D 2024 | 384 Seiten | 25 Euro
Dörlemann Verlag
ISBN: 978-3-03820-138-0

Heute hätte es uns fast erwischt.

(Seite 7)

Ich liebe ja Romane, in denen sich eine Gesellschaft an wunderliche Umstände gewöhnen muss – der Tod verweigert seinen Dienst; der Ozean ist weg; Trauern verboten … so was in der Art. Bei Bernhard Kegels neuem Roman GRAS – Nein, es geht nicht ums Kiffen! – ist es eine neuartige Rasenart, mit der sich die Berliner Einheimischen herumschlagen müssen, denn die hartnäckige Pflanze wächst innerhalb kurzer Zeit unkontrolliert und meterhoch überall und legt die ganze Stadt lahm.

Hauptfigur und Ich-Erzählerin ist die junge Biologin Natalie Hernes, die, nachdem die Stadt von den meisten schon längst verlassen wurde, weiterhin in Berlin wohnt und die neue Grasart untersucht. Sie war es auch, die vor Jahren die ersten zarten Halme auf dem Bundesplatz entdeckte und wissenschaftlich beschrieb. Mittlerweile gleicht Berlin einem Dschungel: Das scharfblättrige Gras wächst aus allen Gehwegfugen, hat die Straßen aufgebrochen und klettert die Hauswände hoch. Die ersten Maßnahmen – Mähen, Abfackeln, Chemikalien – verliefen im Sande; darüber musste die Pflanze mit dem neuen Namen Invicta – die Unbesiegbare – nur müde lächeln und wuchs einen Tag später noch intensiver.

Nun ist Natalie allein in der Metropole. Fast: Sie kümmert sich um ein Kind, ein kleines Mädchen. Marie ist ihr zugelaufen und kennt die Welt nicht anders als grün und zugewuchert. Zusammen leben sie in den verlassenen Häusern, klauben zusammen, was noch in den Supermärkten zu finden ist, und schützen sich vor Hunden, die früher einmal Haustiere waren, jetzt aber wilde und gefährliche Rudel bilden. Und auch vor umherpirschenden Prepperbanden gilt es, sich in Acht zu nehmen, denn im Berliner Urwald gibt es kleine Trupps von Möchtegern-Survivors, die wie kleine Privatmilizen alles jagen, was ihnen vor die Gewehre kommt.


GRAS wird vom Verlag als Wissenschaftsroman vermarktet und löst dieses Versprechen über kurze Strecken auch ein. Man erfährt viel über Biologie – über Pflanzen im Allgemeinen und Gras im Besonderen –, und erhält einen kleinen Einblick in die akademische Welt dieser Wissenschaft. In weiten Teilen ist der Roman allerdings eher ein Thriller … was nicht abwertend gemeint ist, auch wenn ich diesem Genre immer etwas unwillig gegenüberstehe. GRAS liest sich schnell und punktet mit vielen spannenden Szenen, die die vielleicht etwas trockenen Nature-Science-Kapitel auflockern.

Sehr interessant ist die Suche nach dem Ursprung Invictas, denn vielleicht wurde die Pflanze in böser Absicht bewusst in einem Labor designt. Einblicke in diesen Teil der Wissenschaft sind in meinen Lektüren eher selten, deswegen nahm ich den Input dankbar an. Andere Ideen des Buches fand ich dagegen etwas übertrieben – Zum Leben erwachte Mammute? WTF? Mit knapp vierhundert Seiten ist der Roman für das, was passiert, schon relativ umfangreich; ein paar Handlungsstränge weniger hätten der Geschichte ganz gutgetan.

Fazit: Spannende Unterhaltung mit gutem Wissensinput – nicht mehr, aber auch nicht weniger.


GRAS erschien im Dörlemann Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick auf das Coverbild gelangt Ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet.

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