J. G. Ballard | DIE FLUT & DIE DÜRRE

UK 1962/65 | 225 & 256 Seiten
OT: »The Drowned World« & »The Drought«
Aus dem Englischen von Helma Schleif
Diaphanes Verlag
ISBNn: 978-3-0358-0454-6
978-3-0358-0539-0

Bald schon würde es zu heiß sein.

(Die Flut, Seite 5)

Am Mittag, als Dr. Charles Ransom sein Hausboot an der Flussmündung vertäute, sah er Quilter, den tumben Sohn der Alten, die auf dem maroden Kahn draußen vor dem Yachthafen hauste.

(Die Dürre, Seite 7)

Fro-ho-ho-hes Fest, Ihr Lieben! Zur Feier des Tages gibt’s heute mal eine Doppelrezension. Und weil Winterzeit bei mir oft Klassikerzeit ist, habe ich mich für zwei Frühwerke von J. G. Ballard entschieden, von dem ich schon länger mal wieder etwas lesen wollte. Die letzte Lektüre – BETONINSEL – liegt tatsächlich schon mehr als sechs Jahre zurück, es wurde also Zeit…

Sowohl DIE FLUT als auch DIE DÜRRE sind sehr frühe Vertreter der Climate Fiction, einem SciFi-Subgenre, das erst viele Jahre später die berechtigte Hochphase erreichte. Mit den Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels beschäftigt sich die Literatur eigentlich erst seit der letzten Jahrhundertwende, somit hat Ballard in den 1960ern schon wahre Pionierarbeit geleistet. Beide Romane spielen weit in der Zukunft und beschreiben je eine postapokalytische Welt, in der zivilisiertes Leben kaum noch möglich ist, allerdings aus völlig unterschiedlichen Gründen.


In DIE FLUT liegt die gemäßigte Zone der nördlichen Halbkugel fast komplett unter Wasser. Durch den Verlust der schützenden Ionosphäre hat sich die Erde aufgeheizt, die Polkappen sind geschmolzen, die Meere um viele Meter angestiegen, die letzten Landmassen durch Dauerregen in tropischem Klima kaum noch bewohnbar. Ein Team von Wissenschaftlern, angeführt von Dr. Kerans, untersucht das Gebiet, das früher einmal London gewesen war. Jetzt ist es ein stinkender Molloch verrottender Gebäude, angefüllt mit einer dicken Brühe aus Abfall und Bakterien in dem jede Menge Urviecher schwimmen. Zu allem Übel treibt eine Horde Piraten in der Gatsche ihr Unwesen, die die verbliebenen Gebäude plündern, immer auf der Suche nach alten Kulturgütern, die sie woanders vielleicht zu Geld machen können.

Bei DIE DÜRRE stehen die Dinge anders. Durch die jahrelange Verschmutzung der Weltmeere hat sich eine Schicht auf den Ozeanen gebildet, die das Verdunsten des Wassers verhindert. Dadurch hat es weltweit seit Monaten nicht mehr geregnet und durch die ewige Wolkenlosigkeit ballert die Sonne unentwegt auf die Erde herab. Alle Flüsse und Seen sind ausgetrocknet und den Menschen geht das Trinkwasser aus. Während sich die meisten Leute aus dem Landesinneren an die Küstenregionen retten, bleibt der Arzt Dr. Ransom zunächst in seiner Heimatstadt und hilft den verbliebenen Bewohnern. Doch als das Leben dort unmöglich wird, zieht auch Ransom Richtung Meer, nur um dort dabei zuzusehen, wie sich die Menschen im Kapf um die letzten Ressourcen an die Gurgel gehen – MAD MAX lässt grüßen.


Auch wenn sich beide Romane in ihrer grundsätzlichen Aussage ähneln, haben sie doch sehr unterschiedliche Schwerpunkte. Bei DIE DÜRRE würde ich behaupten, es handelt sich wirklich um einen Roman, der sich mit dem Leben unter widrigen klimatischen Umständen beschäftigt. Hier gibt es alles, was man heutzutage unter Climate Fiction versteht. Es wird tatsächlich beleuchtet, was uns blüht, wenn sich der Klimawandel ungehindert fortsetzt. Bei DIE FLUT dagegen hatte ich eher das Gefühl, dass es sich lediglich um einen Thriller handelt, der in einer möglichst schwierigen Umwelt stattfindet. Ja, es wird zwar erklärt, wie es zu der apokalytischen Wasserwelt kam, aber alles andere ist einfach nur ein spannendes Abenteuer – da geht es mehr um das Was als um das Warum. Diesbezüglich halte ich DIE DÜRRE für den besseren der beiden Romane.

Stilistisch macht Ballard bis auf wenige Ausnahmen keine großen Experimente. Die Texte lesen sich sauber weg, jeder Satz möchte informieren, nicht beeindrucken. Für mich persönlich ist das immer ein bisschen wenig, ich mag mich gern überwältigen lassen; aber das ist nicht Ballards Stil. Das erinnert mich immer an sein amerikanisches Pendant Philip K. Dick (BLADE RUNNER u.a.), der auch eher für seine krassen Ideen berühmt ist, weniger für seine literarische Kunstfertigkeit. Ist ja auch nicht weiter schlimm, beide Romane sind dennoch lesenswert.


Der einzige Stolperstein, der wirklich unangenehm auffällt, ist die Reproduktion rassistischer Ausdrücke, zumal es sich um eine Neuübersetzung handelt. In beiden Romanen gibt es je einen Schwarzen, der permanent mit dem N-Wort betitelt wird (der spanischen Variante, was die Sache nicht besser macht). Ich weiß, dass es zu einer authentischen Übersetzung dazugehört, den Wortlaut zu übernehmen, und wenn Ballard den Ausdruck benutzt hat, wäre es nicht ganz korrekt, ihn unter den Tisch fallen zu lassen. Aber da gibt es doch Tricks, zumal es in diesen beiden Romanen nicht um Hautfarben geht – es ist tatsächlich völlig irrelevant, wie die Leute aussehen. Die beiden Figuren haben Namen, warum werden sie nicht mit diesen benannt? Alle anderen werden es. Charles und Richard und Catherine und Howard … und der N-!? Was soll der Quatsch? Mit einer kleinen Anmerkung des Übersetzers hätte man diesen rassistischen Ausdruck ohne Weiters mit einem Namen ersetzen können. Aber das ist eine Diskussion, die schon hunderte Male geführt wurde und so bald wohl kein Ergebnis findet.


DIE FLUT und DIE DÜRRE erschienen im Diaphanes Verlag, dem ich herzlichst für die Unterstützung danke. Mit einem Klick auf die Coverbilder gelangt Ihr zur jeweiligen Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor findet. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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