Jakob Nolte | KURZES BUCH ÜBER TOBIAS

D 2021 | 231 Seiten
Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-42979-2

Aufgrund einer optischen Täuschung sah es so aus, als würden sich die Rotorblätter bloß langsam oder fast gar nicht bewegen, aber das stimmte nicht.

(Seite 7)

Seit Tagen brüte ich nun schon vor mich hin, wie ich wohl eine Rezension über Jakob Noltes neuen Roman KURZES BUCH ÜBER TOBIAS aufziehen könnte — ohne Erfolg. Zuerst wollte ich klassischerweise die Handlung grob umreißen, aber das allein schon entzog sich jeder Bemühung. (Falls Ihr etwas darüber erfahren wollt, verweise ich auf den Klappentext; klickt einfach unten auf das Coverbild, da landet Ihr auf der Verlagsseite.) Dann wollte ich einen Text schreiben, der immer wieder vom Thema abweicht und sich in Nebensächlichkeiten verliert, die überhaupt nichts mit Nolte oder seinem Buch zu tun haben, einen Text, der nur eine Aufgabe hat: die Leserschaft zu verwirren … aber auch das wollte mir nicht gelingen. (Heb ich mir für später auf.) Nun wird es ein Beitrag über das eigene Scheitern an einem Buch und seinem Autor.


Ich halte mich für einen einigermaßen gebildeten Menschen, bin kein Genie, aber auch nicht auf den Kopf gefallen. Bei Themen, die mich interessieren, will ich immer alles ganz genau wissen — das stand schon in meinen Grundschulzeugnissen: »Stefan lernt stets interessenbezogen.« –, bei anderen Dingen reicht mir ein grober Überblick, damit ich notfalls mitreden kann. Ein Freund von mir nennt das immer: »Gefährliches Halbwissen und im Weg stehendes Fachwissen« — damit kann ich dienen. Allerdings bin ich mir auch nicht zu fein, ab und an mal zuzugeben, dass ich etwas nicht weiß oder nicht verstehe … und ich fürchte, Jakob Nolte hat mich heute an diesen Punkt gebracht. Dabei war die Lektüre keine Zeitverschwendung, ganz im Gegenteil, viele der Kapitel habe ich sehr gemocht. KURZES BUCH ÜBER TOBIAS strotzt vor genialen Ideen, wunderbaren Dialogen und Szenen voller Humor und Tragik. Ein Sammelsurium voller kleiner Highlights — nur das große Ganze will sich mir nicht erschließen. Das letzte Buch, das mich dermaßen ratlos zurückgelassen hat, war LYOPHILIA von Ann Cotten. Auch da hatte ich nach der Lektüre dieses seltsam gemischte Gefühl aus »Ich bin beeindruckt!« und »Ich habe kein Wort verstanden!«.

In einer Rezension bei Poesierausch habe ich gelesen, dass man umso mehr von dem Buch mitnehmen kann, je man mehr mitbringt, was ich sehr passend finde. Vielleicht ist es einfach mein Pech, dass das Buch ausgerechnet die Dinge verhandelt, von denen ich wenig bis keine Ahnung habe: ich bin nicht religiös, habe nicht studiert, war weder in Belgrad noch in einem Helikopter. Ich konnte mich an dem Text als solchem erfreuen, die vielen stilistischen Tricks genießen und hier und da eine Anspielung aufdecken — gebracht hat mir das aber nichts. Das ist Kunst um der Kunst willen: schön anzuschauen, aber nur für wenige wirklich verständlich. Ich jedenfalls gehöre nicht dazu, was ich auf der einen Seite etwas schade finde — mein erster Nolte-Roman hätte gern etwas Besonderes sein dürfen –, auf der anderen Seite ist das aber auch kein Weltuntergang.

(Jetzt ist es eher ein Text über mich als über das Buch geworden — ich hoffe, Ihr seht mir das nach…)


KURZES BUCH ÜBER TOBIAS erschien beim Suhrkamp Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick aufs Coverbild kommt ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

4 Gedanken zu “Jakob Nolte | KURZES BUCH ÜBER TOBIAS

  1. Du hast es geschafft:hast mich neugierig gemacht auf das Buch, kommt auf meine Merkliste, obwohl ich noch nie etwas von diesem Autor gehört habe. Danke!!

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