D 2015 | 189 Seiten
Aufbau Verlag Berlin
ISBN: 978-3-351-03618-8
Eine Insel, nur von Gras überzogen, und ein Haus darauf, in das ich gehen kann oder aus dem ich komme, um vor dem Meer zu stehen. (Seiten 10, 19, 118 und 170)
INHALT: Dieses Zitat, das sich wie ein Kehrreim durch die Novelle zieht, gibt einen Lebenswunsch des Ich-Erzählers wieder. Dieser Mann, dessen Name ungenannt bleibt, ist ein Inselsammler, ein ewig Reisender auf der Suche nach seiner seelenverwandten Insel, die er mit Grimsey, einem kleinen Fels im Meer nördlich von Island, gefunden zu haben scheint. Er hat nur ein paar Stunden Aufenthalt um die karge Insel zu erkunden, und die Eindrücke, die er dort sammelt, lassen ihn an viele Stationen seines Lebens zurückdenken. Doch erst auf der Fähre zurück nach Island erkennt er, wie sehr Grimsey das natürliche Gegenstück zu seiner eigenen Geschichte ist.
FORM: Ulrich Schacht (*1951) hat mit GRIMSEY einen sehr poetischen und leisen Text vorgelegt. Die Sätze sind kunstvoll verschachtelt, was den Lesefluss leider etwas hemmt; man muss sich auf die Geschichte schon einlassen und konzentriert dabeibleiben, dann spürt man eine große Kraft zwischen den Zeilen. Bemängeln könnte man die Steifheit des Textes; etwas mehr Humor hätte hier gutgetan … aber das ist Geschmackssache.
BTW: Schacht war Teilnehmer der LiteraTour Nord 2015/16, konnte sich mit GRIMSEY gegen eine starke Konkurrenz (u.a. Alina Bronsky und Ilija Trojanow) durchsetzen und gewann den Preis. Ich saß bei der Lesung im Publikum und fühlte mich angenehm unterhalten. Ulrich Schacht war locker und gewann schnell die Gunst seiner Zuhörer (was vielleicht auch zum Erfolg beigetragen hat).
FAZIT: Ebendiese Lockerheit vermisste ich beim Lesen der Novelle. Eine schöne Geschichte, tolle Metaphern und eine sehr intime Einsicht am Ende – aber im Ganzen dann (für meinen Geschmack) zu ernst. Vier Sterne.