Juhani Karila | DER FLUCH DES HECHTS

FIN 2019 | 302 Seiten
OT: »Pienen hauen pyydhystys«
Aus dem Finnischen von Maximilian Murmann
Homunculus Verlag
ISBN: 978-3-946120-76-6

Wir nähern uns dem Tümpel aus der Stratosphäre.

(Seite 5)

Sagengestalten wie Elfen, Feen und Einhörner kennen wir alle; bei neueren Figuren wie den Hobbits und den Dementoren kommen die meisten auch noch mit. Aber wie steht es mit einem Pejooni, einem Näck oder einem Rabatz? Und alle so: Hä? Die leben nämlich im nördlichen Finnland ganz ungeniert unter den Menschen, als ob es Füchse oder Igel wären. In diese mythenschwangere Gegend führt uns Juhani Karila in seinem Romandebüt DER FLUCH DES HECHTS, und zwar mit jeder Menge handwerklichem Geschick und einer ordentlichen Portion Humor.

Karila erzählt von der Großstadtfinnin Elina, die jeden Sommer in ihr lappländisches Heimatdorf zurückkehrt, um dort einen Hecht zu angeln. Das macht sie nicht aus sportlichem Ehrgeiz oder um sich einfach mal ein bisschen zu entspannen, nein, ein Fluch liegt auf Elina. Ausgesprochen vor langer Zeit, kann er nur durch den Hechtfang für ein weiteres Jahr gebannt werden – doch in diesem Jahr ist alles anders: Ein dämonischer Näck stellt sich Elina in den Weg und droht, ihren überlebenswichtigen Angelerfolg zunichte zu machen. Und dann wird sie auch noch von der Polizistin Janatuinen verfolgt, denn Elina steht in der Stadt unter Mordverdacht. Wie das alles miteinander zu tun hat und wie sich Elina mit Hilfe seltsamer Kreaturen und kauziger Dorfbewohner allen Hindernissen stellt, zeigt sich in einem spektakulären Finale, das im Klappentext zurecht als fulminant bezeichnet wird.


Finnland ist seit vielen Jahren eines der Länder, die mich total reizen – besonders der dünn besiedelte Norden –, in denen ich aber noch nie war. Ich will ein einziges Mal im Leben die Gewissheit spüren, dass der nächste Mensch auf Erden mehr als zehn Kilometer von mir entfernt ist. Ganz so einsam ist Elina in DER FLUCH DES HECHTS nicht, dennoch bringt Juhani Karila diese Menschenleere, diese Abgeschiedenheit ganz gut zu Papier. Überhaupt macht der Autor in seinem ersten Roman vieles richtig. Er kreuzt die moderne Welt mit der folkloristischen und nutzt dafür einen lockeren Schreibstil, der aber mit klassischen Naturbeschreibungen nicht geizt. Auf diese Weise entsteht ein richtig schönes Crossover aus Alt und Neu, aus urigem Märchen und heutigem Krimi. Auch der Plot ist komplexer als vermutet und geht über die reine Schilderung der Ereignisse hinaus, indem Karila die Geschichte der Beziehung von Elina zu ihrem Jugendfreund Jousia zwischen die Kapitel flechtet. Dieser Extra-Handlungsstrang und die beiden um Elina und die Polizistin verweben sich nach und nach und münden dann im Showdown – wie bei einem guten Thriller.

In Finnland wurde Karila mit Preisen überhäuft und auch in Deutschland blieb das Buch nicht unbeachtet. So stand DER FLUCH DES HECHTS kürzlich auf der Shortlist für den Internationalen Literaturpreis – den Preis für übersetzte Gegenwartsliteratur –, musste sich dort aber Cristina Morales‘ LEICHTE SPRACHE geschlagen geben. An dieser Stelle darf die Arbeit des Übersetzers Maximilian Murmann nicht unerwähnt bleiben. Murmann, der aus dem Finnischen und Estnischen übersetzt, hat für die deutsche Übertragung sicher genauso tief in die Trickkiste greifen müssen wie der Autor selbst. Über die geschilderten Viecher und Monster konnte ich im Netz nichts finden – ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob es sich dabei um „echte“ Figuren aus der lappländischen Folklore handelt oder um Erfindungen von Karila –, Murmann hat aber den meisten davon eingedeutschte Namen gegeben, die sehr gut zu ihrem Wesen passen. Einzig die Entscheidung, den (menschlichen) Figuren auch im Deutschen einen Dialekt zu verpassen, finde ich nicht ganz geglückt; im Original mag das funktionieren, in der Übersetzung stört das irgendwie.

Aber das soll das Lesevergnügen nicht schmälern. DER FLUCH DES HECHTS ist ein sehr empfehlenswertes Buch, bei dem sowohl Krimi- als auch Märchenfans ihre helle Freude haben werden. Ich bin beides nicht und hatte trotzdem einen Riesenspaß – das möchte ja wohl was heißen!


DER FLUCH DES HECHTS erschien in der Übersetzung von Maximilian Murmann im Homunculus Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick aufs Coverbild kommt ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe und ein Interview findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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