Harry Mulisch | SCHWARZES LICHT

NL 1956 | 140 Seiten
OT: »Het zwarte Licht«
Verlag Klaus Wagenbach Berlin
ISBN: 978-3-8031-2760-0

Später am Tag (als die ganze Stadt bereits ergriffen war) sollte er sich daran erinnern, doch ohne dass es ihn noch erstaunte. (Seite 9)

INHALT: Es ist der 20. August 1953, der sechsundvierzigste Geburtstag Maurits Akeleis. Der Glockenspieler seiner kleinen Stadt lebt zurückgezogen in einem spartanischen Mietshauszimmer und seit ihn vor über zwanzig Jahren seine einzige Liebe Marjolein verließ, umgibt ihn eine Aura der Melancholie und Unnahbarkeit. Sowohl seine abergläubische Vermieterin als auch eine Gruppe der Zeugen Jehovas warnen ihm vor dem Ende der Welt, denn genau heute soll der Tag des Jüngsten Gerichtes sein. Akelei macht sich auf den Weg zu den paar Bekannten, die er hat, um sie zu einer Feier anlässlich seines Geburtstages einzuladen, was ihm gar nicht ähnlich sieht. Aus der Feier wird eine apokalyptische Orgie, die mit einer Erkenntnis endet, der zu folgen für Akelei unausweichlich ist.

FORM: Harry Mulisch (1927-2010) war ohne Frage ein Meister unter den niederländischen Romanciers und was er dem Leser fast vierzig Jahre später in seinem Überroman DIE ENTDECKUNG DES HIMMELS (meines Erachtens eines der Bücher für die Insel) in Perfektion präsentiert, zeigt sich auch diesem sehr frühen Text. Denn auch wenn die Dialoge ein wenig holpern und die Charaktere etwas Holzschnittartiges haben, die Fülle an Symbolik und das experimentelle Spiel mit der Sprache machen die Kritikpunkte wieder wett. Besonders die Traum- und Deliriumszenen und wie sie in den Text eingebaut sind, wissen zu überzeugen. Man sollte also berücksichtigen, dass Mulisch erst Mitte zwanzig war, als er SCHWARZES LICHT schrieb, also noch viel Zeit hatte, zu dem Autor zu werden, den man heute kennt.

FAZIT: Trotz der neuen, wohl etwas flüssigeren Übersetzung kam ich nur schwer in den Text, was an den genannten Punkten lag. Die gestelzte Art der Figuren und Dialoge erinnerten mich an diese furchtbaren Theo-Lingen-Paukerschreck-Komödien; bei einem 600-Seiten-Roman hätte ich wahrscheinlich abgebrochen. Aber nach einer Weile gewöhnte ich mich daran und versank doch noch in der Geschichte, deren Ende wirklich eines ist, das ich nicht so schnell vergessen werde. Vier Sterne.

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