Walter Tevis | DER MANN, DER VOM HIMMEL FIEL

USA 1963 | 267 Seiten
OT: »The Man Who Fell to Earth«
Aus dem Amerikanischen von pociao und Roberta de Hollanda
Diogenes Verlag
ISBN: 978-3-257-07197-9

Nach zwei Meilen zu Fuß erreichte er eine Stadt.

(Seite 11)

Spätestens seit der Netflix-Serie DAS DAMENGAMBIT wird – zumindest im deutschsprachigen Raum – ein Autor wiederentdeckt, der für eine lange Zeit aus dem Fokus gerutscht war: Walter Tevis (1928-1984). Dabei dienten seine Romane mehrmals als Grundlage für erfolgreiche Verfilmungen, wie zum Beispiel DIE FARBE DES GELDES mit Paul Newman und einem noch sehr jungen Tom Cruise. 1976 wurde auch DER MANN, DER VOM HIMMEL FIEL mit David Bowie in der Titelrolle verfilmt. Von dem Film kann man künstlerisch halten, was man will – er bleibt zumindest in Erinnerung…

Im ländlichen Kentucky fällt ein Ortsfremder sofort auf. So ist das auch bei Thomas Jerome Newton, einem übergroßen, zartgliedrigen Mann, der scheinbar aus dem Nichts auftaucht und jede Menge Goldringe verkauft. Aus diesem finanziellen Grundstock macht er mithilfe eines cleveren Patentanwalts ein ganzes Vermögen auf dem Gebiet der Hochtechnologie. Innerhalb kürzester Zeit wird Newton zu einem Tech-Gigant und einem der reichsten Menschen der Welt, und peitscht die Wissenschaft schnell in ungeahnte Bereiche. Woher er all dieses Wissen hat, bleibt sein Geheimnis. Doch jeder Reichtum hat seine Schattenseiten; Verlockungen und Angebote aus allen Richtungen drängen auf Newton ein, und so zielgerichtet, diszipliniert und enthaltsam er wirken mag – auch er ist nicht gegen alles immun.


Ich lese nicht oft Science-Fiction-Romane, wenn dann aber gern solche, in denen die erzählte Zukunft schon an uns vorbei ist. DER MANN, DER VOM HIMMEL FIEL spielt in den späten 1980ern – aus Tevis‘ Sicht war das noch zwanzig Jahre hin, heute ist das schon über dreißig Jahre her. Die Frage ist dann immer: Was macht den Roman denn heute überhaupt noch lesenswert? Erst, wenn die Zukunft schon an uns vorbeigerauscht ist, lässt sich feststellen, ob das Buch wirklich visionär gewesen ist. Und das kann man in diesem Fall nur bejahen; das fängt schon bei der Figurenzeichnung an.

Tevis‘ Alien ist zum Beispiel kein Monster, das uns mit Phaserkanonen die Hölle heiß macht. Thomas Jerome Newton handelt nicht – wie es zunächst scheinen mag – egoistisch, er will sich nicht selbst bereichern. Nein, er ist wirklich aus dem All und will auf der Erde so schnell wie möglich Raketen bauen, um seine Spezies, die er auf dem Planeten Anthea zurückgelassen hat, nachzuholen. Seine Heimat ist durch Kriege, Umweltschäden und Dürren völlig zerstört, ein Schicksal, das der Erde auch bevorsteht, aber noch in weiter Ferne liegt. (Auch das ist ein Thema, um das wir heute nicht mehr herumkommen, in den frühen 1960ern aber noch kein großes Echo hervorgerufen hat.) Newton ist angeschlagen, sucht Hilfe, handelt selbstlos – das unterscheidet ihn enorm von herkömmlichen, klischeebeladenen Planetsmasher-Aliens à la INDEPENDENCE DAY.

Der größte Clou jedoch ist das Ende, das ich hier aber nicht erzählen will. Nur so viel sei verraten: Es ist bei aller Sience-Fiction-Haftigkeit ein zutiefst menschliches Ende. Alles in Allem: Ein wunderbarer Klassiker!


DER MANN, DER VOM HIMMEL FIEL erschien in der Übersetzung von pociao und Roberta de Hollanda im Diogenes Verlag. Mit einem Klick aufs Coverbild gelangt Ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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