Hank Zerbolesch | GORBACH

D 2024 | 208 Seiten | 22 Euro
Steidl Verlag
ISBN: 978-3-96999-324-8

Abgekoppelt vom Rest der Welt sitzt der irre Ele in seinem Rollstuhl, starrt aus dem Fenster und wartet.

(Seite 5)

Als ich vor gut fünf Jahren den Roman RAW von Hank Zerbolesch las, war ich überwältigt von der Härte und der Echtheit des Buches. Einen so authentischen und gleichzeitig gut geschriebenen Text über das Leben auf der Straße hatte ich bis dahin noch nicht gelesen. Nun erschien kürzlich mit GORBACH der neue Roman des Wuppertalers – und wieder nimmt er uns mit auf eine Reise durch die dunklen Gassen der Großstadt.

Einen bunten Strauß an Figuren lässt Zerbolesch nach und nach auf den knapp zweihundert Seiten auf- und wieder abtreten. Den verbitterten Elmar im Rollstuhl; die Kneipenstammgäste Micha und Udo; Julia, die aus einem Kriegsgebiet geflüchtet ist; Udos Mutter mit ihrem Gammelfuß; die Möchtegern-Unternehmer Toni, Chico, Frank & Omar; die Schülerin Filiz, die nach einer Schlägerei beim Direktor sitzt; Björn, der verbitterte Lehrer mit seinen kruden Überzeugungen; und viele, viele andere mehr. Sie alle haben ihre Sehnsüchte, streben ihren Wünschen hinterher und werden wieder und wieder vom Leben betrogen. Manche greifen zur Flasche, um ihren Unmut zu betäuben, andere werden kriminell, um ihrem Glück auf die Sprünge zu helfen. Doch am Ende bleibt die Erkenntnis, dass wir im großen Gefüge der Zeit alle nur kurz aufleuchten und noch schneller Verglühen.


Ein umfassender Handlungsstrang ist in GORBACH nicht angelegt. Die mehr als zwanzig Kapitel lesen sich wie einzelne Kurzgeschichten, ergeben aber nacheinander gelesen ein großes Panorama des Scheiterns. Wie schon in RAW legt Zerbolesch Spuren zwischen seinen Figuren aus und verlinkt ihre Geschichten miteinander. Irgendwie hat jeder mit jedem zu tun, wenn auch manchmal nur um drei Ecken. Stilistisch wechselt er oft die Erzählweisen, springt vom Ich zum Er oder Sie, blickt mal von außen, mal von innen auf sein Personal. Besonders geglückt finde ich die Kapitelwechsel, die nicht selten in einem Satz vollzogen werden: Die letzten Worte sind dann zugleich der Titel des nächsten Kapitels, und weiter geht’s.

Hank Zerbolesch hat sein Können mit GORBACH ein weiteres Mal unter Beweis gestellt. Auch wenn der Roman aufgrund der dargestellten Härte vielleicht nicht für jeden Lesegeschmack die richtige Lektüre sein mag, wünsche ich dem Buch ein großes Publikum und dem Autor endlich den Erfolg, den er verdient.


GORBACH erschien im Steidl Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick auf das Coverbild gelangt Ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor findet.

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