Ned Beauman | DER GEMEINE LUMPFISCH

UK 2022 | 368 Seiten
OT: »Venomous Lumpsucker«
Aus dem Englischen von Marion Hertle
Liebeskind Verlag
ISBN: 978-3-95438-158-6

In einem Primatenforschungsinstitut in Leipzig wurde ein Wissenschaftler dabei ertappt, wie er die Überwachungskameras im Inneren des Geheges eines Orang-Utans abschaltete, der zweitausend Worte in Zeichensprache beherrschte.

(Seite 9)

Folgendes Szenario: In einer gar nicht weit entfernten Zukunft sind tausende Arten von Lebewesen bereits ausgestorben. Das Artensterben hat durch den Klimawandel und die unersättliche Gier des Menschen nach Ressourcen ein besorgniserregendes Level erreicht. So weit, so bekannt…

Um die ungebremste Ausrottung irgendwie zu kontrollieren – oder auch zu rechtfertigen –, müssen Firmen bestimmte juristische Grundlagen erfüllen. Wenn eine Firma beispielsweise auf der Suche nach wertvollen Erzen in der Tiefsee die halbe Erdkruste aufschabt und dabei den einzigen Lebensraum des seltenen Lumpfisches zerstört, muss sie vorher ein Auslöschungszertifikat für den hässlichen Scheißer einholen. In diesem Zuge wird eine Genom-Analyse gemacht, in Bio-Datenbanken gesichert und wissenschaftlich untersucht, ob der Fisch über besondere Fähigkeiten verfügt. Vielleicht ist er ja superschlau und das zoologische Gleichgewicht kann nicht auf ihn verzichten. Und wenn nicht? Tja: Feuer frei und immer runter mit der Kruste.


Klingt makaber? Willkommen in der Welt von Ned Beauman! Der 1985 in London geborene Autor gehört seit gut zehn Jahren zu den schärfsten Satirikern Großbritanniens und auch in seinem neuen Roman DER GEMEINE LUMPFISCH fährt er wieder eine Geschichte auf, die von Einfallsreichtum und zielsicherem Sarkasmus nur so strotzt. Doch als wäre die grundlegende Prämisse der Geschichte nicht schon haarsträubend genug, schmeißt Beauman noch jede Menge Zunder mehr ins Feuer. Denn wie es sich für die turbokapitalistische Gesellschaft, in der der Roman spielt, gehört, kann man mit diesen unmoralischen Auslöschungszertifikaten auch an der Börse spekulieren. Dies tut Mark Halyard – Hauptfigur und Antiheld – und verzettelt sich gehörig. Seine Firma löscht den putzigen Fisch restlos aus, ohne auf die Untersuchungsergebnisse zu warten. Es stellt sich heraus, dass der Lumpfisch das intelligenteste Tier auf Erden ist … beziehungsweise war. Nun ist er futsch und bei einem Hackerangriff wurden alle seine Genkopien gelöscht. Halyard macht sich mit der Biologin Karin Resaint – der Frau, die herausfand, dass der Fisch ein kleiner Einstein ist – auf die Suche nach Exemplaren in Ostsee-Reservaten, die von Umweltschützern betrieben werden.

Die größte Reibung – mal von den absurden, aber gar nicht so weit hergeholten Grundbegebenheiten abgesehen – entsteht in der erzwungenen Kooperation der völlig ungleichen Hauptfiguren Halyard und Resaint. Er ein ignoranter Egoist, dem das Überleben der Tierwelt völlig Latte ist; sie eine unermüdliche Kämpferin für das Gute, der die Existenz des Gemeinen Lumpfisches genauso wichtig ist wie das der West-Pipistrelle oder des Korallenfinger-Laubfroschs. Endlose Zankereien sind auf der gemeinsamen Suche vorprogrammiert. In diesen Dialogen kann Beauman sauber das Für und Wider und sämtliche Argumente von Naturschutz und Nachhaltigkeit durchdeklinieren – Gespräche denen ich gern folgte, weil sie nicht nur erheitern, sondern auch aufklären. Ich muss zugeben, dass ich dem wilde Haken schlagenden Plot zum Ende hin kaum noch folgen konnte, dennoch kann ich DER GEMEINE LUMPFISCH als unterhaltsamen und lehrreichen Roman wärmsten empfehlen.


DER GEMEINE LUMPFISCH erschien in der Übersetzung von Marion Hertle im Liebeskind Verlag, dem ich herzlichst für das Rezensionsexemplar danke. Mit einem Klick auf Coverbild gelangt Ihr zur Verlagsseite, wo Ihr Informationen über Buch und Autor, sowie eine Leseprobe findet.

Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

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