Gunther Geltinger | BENZIN

D 2019 | 377 Seiten
Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-42859-7

Sie fahren abwechselnd. Vinz am Tag, Alexander nachts. (Seite 9)

Vinz und Alex, ein schwules Paar, das seit vielen Jahren zusammen ist, unternehmen als Auffrischung ihrer kriselnden Beziehung eine Urlaubsreise durch Südafrika. Vinz, der Schriftsteller, der in seinen Romanen immer wieder ihre Partnerschaft auf den Prüfstand stellt und literarisch verarbeitet, nutzt die Reise als Inspirationsquelle für Stoffe, aus denen er sein neues Buch stricken will. Außerdem braucht er Abstand zu Manuel, in den er sich per Dating-App verliebt hat, der aber, weil er Vinz nicht aus dem Kopf geht, als zusätzliche Last quasi mit von der Partie ist. Als die beiden gleich zu Beginn ihrer Fahrt einen Mann anfahren, der sich als Flüchtling aus Simbabwe entpuppt, werfen sie alle Sicherheitstipps über Bord und nehmen ihn mit auf eine Reise durch ein Land, das politisch und gesellschaftlich zutiefst zerrüttet ist.


Es sind viele Fässer, die Geltinger (*1974) in seinem neuen Roman aufmacht, Homophobie und politische Verfolgung sind da nur die offensichtlicheren. Der Umstand, dass Vinz und Alex ihre Sexualität verstecken und sich als Brüder ausgeben, weil sie nicht wissen, ob sie dem nach außen hin fortschrittlichen Südafrika trauen können, verleiht uns Lesern den Status der Mitwisserschaft, was dem Text eine gewisse Spannung gibt. Auch die Geschichte Unamis – des Mannes, den sie anfahren – enthält ordentlich Zündstoff, flüchtete er doch einst vor der Schreckensherrschaft Robert Mugabes. Thematisch ist Geltingers Roman also durchaus gut aufgestellt.

Dennoch habe ich mich durch die Lektüre mehr als gequält, was klar an Geltingers Schreibstil lag. BENZIN kommt in künstlich verschwurbelten Sätzen daher, dialogarm und bar jeden Humors. Ich erwarte ja nicht ständig ein Feuerwerk an Gags – bei so ernsten Themen schon gar nicht –, aber ein paar Auflockerungen hätten dem Roman sicher nicht geschadet. Auch die Figuren bleiben in ihrer Ernstahftigkeit holzschnittartig. Der ewig jammernde Vinz ging mir nach wenigen Seiten schon gehörig auf die Nerven, und Alex, als Gegenpol die Rationalität in person, bleibt als Figur bis zum Ende hin blass.

Geltinger kann schreiben, keine Frage, aber es ist diese typische Akademikerprosa, mit der ich nichts anfangen kann, irgendwie schnöselig und zu viel von allem. Als ob hier versucht wird, wenig Inhalt mit Macht auf Romanlänge aufzublasen (was bei fast vierhundert Seiten mehr als gelungen ist). Geltinger hat es nicht geschafft, mich als Leser dauerhaft bei der Stange zu halten. Der Text hat mich kaum berührt und ab der Hälfte habe ich ganze Absätze quergelesen oder gar überblättert, damit ich vorankomme. Sicher ist mir dadurch hier und da etwas entgangen, was mich dann aber auch nicht mehr gekratzt hat. Schade…


42859BENZIN ist beim Suhrkamp Verlag erschienen, dem ich natürlich trotzdem für das Rezensionsexemplar danke. Alle weiteren Informationen über Buch und Autor sowie eine Leseprobe findet Ihr auf der Verlagsseite. Eine sehr viel wohlwollendere Besprechung könnt Ihr bei letteratura lesen. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken.

3 Gedanken zu “Gunther Geltinger | BENZIN

  1. Was hast du denn da für ein Buch gelesen? 😉 mal wieder sehr erstaunlich, wie unterschiedlich das sein kann. Ich fand es gar nicht schnöselig und die Figuren auch alles andere als holzschnittartig. Naja, weißt du ja. Super Buch, allen Themen gerecht geworden… also für mich jetzt… 🙂

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    • Alles gut, Du sagtest ja in Leipzig schon, dass Dir das Buch sehr zusagt. Deine Besprechung ist auch nachvollziehbar, deswegen die Verlinkung. Ich kam da halt irgendwie nicht ran, fand’s einfach nur anstrengend. Und wenn ich kein Interesse aufbringen kann, dann wird’s zur Qual.
      Beste Grüße von der Ostsee!

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      • Das war gar nicht so gemeint, voll ok für mich, dass es nicht deins war. Ich find es vor allem spannend, ein Buch, völlig entgegengesetzte Meinungen … viele Grüße zurück!

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