Thomas Klupp | WIE ICH FÄLSCHTE, LOG UND GUTES TAT

D 2018 | 254 Seiten
Berlin Verlag
ISBN: 978-3-8270-1366-8

Heute war der beste Schultag ever. Weil ich nämlich nicht in der Schule war. (Seite 5)

Jetzt mal ganz ehrlich: Wer von uns hat noch nie bewusst gelogen? Ich bitte um Handzeichen … Na? … Niemand? … Hab ich mir gedacht. Eine kleine Notlüge ist ja manchmal auch besser als die nackte Wahrheit. Was Benjamin Jäger aber in Thomas Klupps neuem Roman an Lügenkonstrukten um sich herum aufbaut, hätte selbst Baron Münchhausen erbleichen lassen. Er fälscht Unterschriften, plagiiert Physik-Arbeiten, fängt Mails von der Schule ab, bevor sie seinen Eltern unter die Augen kommen, und schwindelt sich durch die halbe Mädchenwelt. Das Lügen selbst geht ihm ohne Schwierigkeiten von den Lippen, da ist er Profi; das Problem ist nur, die Übersicht zu behalten, welche Lüge er weiterhin aufrechterhalten muss und welche er fallen lassen kann. Zusehends kommt Benjamin in seinem selbst gesponnenen Flunkernetz ins Straucheln und die Aktionen, die nötig sind, um nicht aufzufliegen, werden immer gewagter.

Woher hat der Junge das nur? Ganz klar: Von seiner Mutter, denn deren kompletter sozialer Status ist auf Lügen aufgebaut. Damals in München war sie ein Niemand, ein Landei in der großen Stadt, von Depressionen geplagt. Jetzt, im beschaulichen Weiden in der Oberpfalz, hat sie als Arztgattin ein gewisses Ansehen erreicht, das es zu verteidigen gilt. Sie steckt Benjamin sogar ein paar Scheine zu, damit er sie anruft, wenn sie hohen Besuch hat. Dann plappert sie auf Spanisch los und tut so, als wäre der Anruf aus dem fernen Ausland, alles nur, um mondän und kosmopolitisch zu erscheinen. Einen kleinen Schein gibt’s dann noch extra, wenn er in seinem Tennis-Outfit die Upper-Class-Ladies begrüßt, damit sie sehen können, wie schön diese Familie doch ist. Auch Benjamins ältere Schwestern sind hart eingespannt. Die führen sogar Buch darüber, welche Lügengeschichte sie wo und wann auspacken müssen, um nicht alles durcheinander zu bringen. Und überhaupt: Wenn man genau hinschaut, erkennt man in fast jeder Figur des Buches einen Lügner und Fälscher.


Der ganze Roman ist aus der Perspektive Benjamins als eine Art Tagebuch geschrieben. Wir Leser begleiten ihn ein paar Monate durch sein wildes Fälscherleben und lernen in gut einem Dutzend Anekdoten seine Freunde, Lehrer und Eltern kennen. Thomas Klupp (*1977) beherrscht den Jugendslang nahezu perfekt, übertreibt es aber auch nicht vong i bims ungverstendlich her. Nur manchmal fallen ein paar Worte, in denen man eher das Alter des Autors als das Benjamins erkennt, und in einigen stillen Momenten erscheint Benjamin etwas zu selbstreflektierend, zu reif für einen Minderjährigen. Dennoch bleibt alles gut und locker lesbar. Auch der Humor ist grandios. Viele Gags schlagen ein wie Granaten, bei manchen Sätzen musste ich sogar laut loslachen. Sehr lustig das Ganze, allerdings kommt Klupp nicht so recht aus dieser doch recht harmlosen Witzigkeit heraus. Die Charaktere bleiben flach, es ist kaum eine Entwicklung zu erkennen. Die einzige Figur, die echte Tiefen besitzt, ist die Mutter mit ihren Neurosen, die ist wirklich gut gelungen, eine wahrhaft traurige Gestalt.

Thomas Klupp hat mit WIE ICH FÄLSCHTE, LOG UND GUTES TAT ein kurzweiliges Buch geschrieben, das perfekt zu den lauen Spätsommerabenden, zu Liegestuhl und Zoigl passt. Auch wenn mir etwas die Tiefe fehlte, irgendeine Message, fühlte ich mich gut unterhalten – ein leichter Spaß für zwischendurch.

(Ach, und: Wenn jemand über Schwindelanfälle klagt – Glaubt ihm kein Wort!)


978-3-8270-1366-8WIE ICH FÄLSCHTE, LOG UND GUTES TAT ist im Berlin Verlag erschienen, dem ich für das Rezensionsexemplar danke. Alle weiteren Informationen über den Roman findet Ihr hier. Und noch eine kleine Bitte: Kauft Bücher in Euren Buchhandlungen vor Ort. Die Online-Riesen sind schon satt genug und Eure Innenstädte werden es Euch danken…

11 Gedanken zu “Thomas Klupp | WIE ICH FÄLSCHTE, LOG UND GUTES TAT

  1. Quäle mich gerade etwas durch das Hörbuch, an mir geht der Humor nämlich irgendwie vorbei. Dazu das von Dir erwähnte flache Gewässer und ein Sprecher, der mir einfach so gar nicht gefallen will. Ich bin jetzt im letzten Viertel und mich beschleicht das Gefühl, das wird für mich wohl keine Offenbarung mehr. LG aus HH:-)

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