Barney Norris | HIER TREFFEN SICH FÜNF FLÜSSE

GB 2016 | 320 Seiten
OT: »Five Rivers Met on a Wooden Plain«
aus dem Englischen von Johann Christoph Maass
DuMont Buchverlag
ISBN: 978-3-8321-9850-3

Lange bevor der im Tal vor sich hinplätschernde Ärmelkanal anschwoll und aus England eine Insel machte, bevor die ersten Siedler eintrafen und begannen das umliegende Land in Besitz zu nehmen, von Höhenweg zu Berg zu Hügel Baumstämme verlegten, um Pfade in die Sumpflandschaft zu schlagen, ereignete sich im grünen Süden Wiltshires etwas höchst Merkwürdiges. (Seite 11)

INHALT: Im beschaulichen Salisbury, einer Kleinstadt im Süden Englands, fließen fünf Flüsse ineinander, und es sind die Schicksale fünf unterschiedlicher Menschen, deren Wege sich eines Abends in Salisbury kreuzen. Rita, die alternde Blumenhändlerin, deren Leben in Scherben liegt; der junge Sam, der in einem Gefühlschaos lebt, weil er zum ersten Mal die Liebe entdeckt während sein Vater im Sterben liegt; George, der Bauer, der gerade seine Frau verloren hat; Alison, die als Theaterschauspielerin Erfolge feiert, während sie an ihrer Einsamkeit fast vergeht; und Liam, der Nachtwächter, der nach irgendeinem Sinn in seinem Leben sucht.

Diese fünf Menschen kennen sich – gemäß den Regeln der Kleinstadt – nur entfernt, werden aber, als George Rita bei einem Unfall überfährt und die anderen drei Zeugen werden, zu einer Gemeinschaft, bei der jeder an einem Punkt steht an dem sein Leben eine Wendung nehmen kann.

FORM: Barney Norris (*1987) hat einen klug komponierten Episodenroman vorgelegt, in dem er sich für jede Figur ein Kapitel Zeit nimmt. Alle Protagonisten sind Ich-Erzähler, die Erzählweisen jedoch wechseln – während Sam seine innersten Wünsche und Ängste in Märchen und Fabeln ausdrückt, springt George zwischen Lebensbeichte und Polizeiverhör hin und her; bei Alison sind es dagegen Tagebucheinträge, denen wir als Leser folgen. So weit, so gut – ich mag Romane mit verflochtenen Geschichten und tragfesten Fundamenten, aber…

So clever die Konstruktion hier auch sein mag, das schriftstellerische Können Norris‘ konnte mich nicht überzeugen. Der ganze Roman ist einfach zu gleichbleibend, es fehlen die unterschiedlichen Töne. Die fünf Charaktere kommen aus den unterschiedlichsten Schichten der Gesellschaft, aber der Teenie Sam spricht genauso blasiert und geschwollen wie Theaterdiva Alison oder Treckerfahrer George vom Land. Da bleibt die Authentizität leider etwas auf der Strecke. Die einzige, die aus der Reihe fällt, ist Rita gleich zu Beginn, die – wohl aufgrund ihrer Vergangenheit – einen etwas rauheren Ton an den Tag legt. Ansonsten sind die Sätze oft verkrampft lang und manchmal auffällig holprig, was vielleicht auch an der Übersetzung liegt. Hier eines von vielen Beispielen, die mir wirklich unangenehm aufgefallen sind:

Ich erinnere mich, dass, als ich Valerie das erste Mal mitnahm, um sie meinen Eltern vorzustellen, sie, als ich sie abholte, meinte, sie sei derart nervös, am liebsten wäre sie krank. (Seite 180)

Um mal bei den Flüssen zu bleiben: Das fließt einfach nicht.

Auch die ewig auf einem hohen Level gehaltene Melancholie wurde mir irgendwann zuviel. Alle klagen und jammern und quälen sich durch die über 300 Seiten, und obwohl ich mich auch gerne mal anrühren lasse, war mir das dann doch zu dauerhaft und vor allem zu gewollt tragisch.

FAZIT: Bis zu einem gewissen Punkt hat mich der Roman mitgenommen – ich war erfreut über die Idee und gespannt auf die Umsetzung. Der Genickbruch kam spätestens bei Alisons schwafeligem Tagebuch, ab da an war ich raus.

Gut konstruiert mit schmerzhaften Abzügen in der B-Note – Schade. Drei Sterne.


Das LiteraturReich und Bri vom feinen reinen Buchstoff waren da etwas gnädiger.
Ich danke dem DuMont Buchverlag natürlich trotzdem für das Rezensionsexemplar. Alle weiteren Informationen über den Roman findet Ihr hier.

6 Gedanken zu “Barney Norris | HIER TREFFEN SICH FÜNF FLÜSSE

  1. Ah, danke bin im Urlaub bis S. 235 (Alisons schwafeliges Tagebuch *G*) gekommen und dann hat mich vollends die Lust verlassen, nun liegt der Roman noch da und das Ende interessiert mich immer noch nicht. Nach deiner Besprechung klapp ich mit gutem Gewissen zu. Danke 😉

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