William Faulkner | SCHALL UND WAHN

USA 1929 | 380 Seiten

INHALT: Erzählt wird die Geschichte der ehemals wohlhabenden Familie Compson Ende der 1920er Jahre. Alle Familienmitglieder sind grundverschieden und es ist eine harte Zeit in der sie leben, und so kommt es im Laufe der Jahre zu Reibungen, die sich immer weiter steigern, bis sie zum völligen Zerwürfnis und Untergang der Familie führen.

FORM: Sehr viel interessanter als die eigentliche Story (die nach gut 80 Jahren etwas Staub angesetzt hat) ist die Form, in der sie geschrieben ist. Faulkner beschritt damals neue Wege, die Gedanken und Meinungen seiner Figuren zum Ausdruck zu bringen. Das beste (und leider auch schwierigste) Beispiel ist gleich das erste Kapitel, das aus der Sicht des jüngsten Compson-Sprosses Benjamin geschrieben ist. Der Junge ist geistig behindert, kann sich kaum bewegen und kommuniziert nur durch Stöhnen, Schreien und Weinen mit anderen. Man liest nur, was er sieht und hört, er denkt sich nichts dabei. Manchmal wird er von jemandem woanders hingesetzt, dann verändert sich sein Blickfeld (eben war da eine Tür, jetzt ist da ein Kamin). Viele Sachen kann er nicht erklären, es sind dann halt nur so Dinger. Außerdem „erzählt“ er seine Erlebnisse nicht linear. Für ihn gibt es keine zeitliche Ordnung, für ihn ist alles Gegenwart. Innerhalb der Absätze springt die Zeit um Jahre vor und zurück. Der Leser muss sich den Ablauf der Geschichte anhand von Hinweisen selbst zusammenpuzzeln. Das ist mitunter nicht ganz leicht, die späteren Kapitel sind aber wesentlich lesbarer. Dort wurden mir dann auch einige Zusammenhänge klar, bei denen mich Benjamin im Dunkeln gelassen hatte. Soll heißen, die erste Hälfte zu schaffen, wird später belohnt.

FAZIT: Faulkner gehört mit Steinbeck und Hemingway zum großen Dreigestirn der amerikanischen Moderne und ich bin froh, dieses Stück Weltliteratur gelesen zu haben. (SCHALL UND WAHN wird bestimmt nicht mein letzter Faulkner-Roman gewesen sein.) Die großartige Neuübersetzung lieferte Frank Heibert. 5 Sterne.

3 Gedanken zu “William Faulkner | SCHALL UND WAHN

  1. Hab‘ ich auch letztes Jahr gelesen und es stimmt, die erste Hälfte ist etwas anstrengend 🙂 . Ja, es ist ein Stück Weltliteratur, das ist wahr. Das Buch ist sicher lesenswert, aber vermutlich eher für jene, die Ausdauer haben.
    Übrigens: Du hast einen tollen und interessanten Blog, da ich auch eine Bücherliebhaberin bin. Und das, was du auf deiner „Über“-Seite über „Schundliteratur“, von dem der Buchmarkt regelrecht überschwemmt wird, sehe ich genauso. Heutzutage muss man schon wirklich suchen, bis man eine echte Perle findet; auch ich lese deshalb des öfteren Klassiker – deren Schriftsteller wussten noch, wie man wirklich gute, anspruchsvolle Bücher schreibt! Tja, damals hat es noch keine BoD’s gegeben 🙂 und hat auch nicht jeder felsenfest geglaubt, oder war fest davon überzeugt, richtig gut schreiben zu können. Das Internet: Fluch und Segen, wie eben in vielen Bereichen des Lebens.
    Gruß
    Frieda

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    • Vielen Dank für das Lob! Es freut mich sehr, dass Dir mein Blog gefällt.
      Was die Schundromane angeht: Ich muss es ja nicht lesen – Gott sei Dank! Aber allein der Anblick dieser ewig gleichen, nach Schema F konzipierten „Erotik“-Mehrteiler á la Verführung | Verzückung | Verblödung – das ist alles so hohl und so dermaßen auf Kommerz abgezielt, dass mir echt schlecht wird.
      Aber egal – jedem das Seine.
      Beste Grüße von der Ostsee! Bookster HRO

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